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DIE WAHRHEITGnadenlos schutzbedürftige Killervögel

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Wenn der Reifen nach der Picknickpause in den Bergen plötzlich einen Platten hat, dann war ...

W enn der Reifen nach der Picknickpause in den Bergen plötzlich einen Platten hat oder die Zeltplane zerfetzt ist, dann war wahrscheinlich kein ländlicher Hooligan zugange, sondern die gefürchtetste Kreatur der Südalpen: der Kea. Dieser hübsch anzusehende Bergpapagei ist Touristenattraktion und Landplage zugleich. Auch in friedliebenden Menschen kitzelt er Tötungsgelüste hervor. Zum Beispiel dann, wenn man aus seinen Wanderstiefeln schlüpft und die Schuhe wenig später einen steilen Abhang herunterstürzen sieht. Dort hat sie ein Kea fallen lassen, nachdem er zuvor auch noch sämtliche Gummiteile vom Auto gerissen und den Picknickkorb in Einzelteile zerlegt hat. Ja, ein putziges Tierchen.

Wer angesichts dieser Gefahr aus Flora und Fauna müde die Schultern zuckt und auf die Haie, Krokodile und anderen Fleischfresser Australiens verweist, der weiß nicht, was der Kea für ein gnadenloser Killer ist. Den armen Schafen auf den hochgelegenen Farmen der Südinsel hackt er gezielt in die Nierengegend, um dahinter ans Fett zu kommen. Die verwundeten Tiere sterben oft an Infektionen oder Blutvergiftung, es sind bis zu 4.000 im Jahr pro Hof.

Im 19. Jahrhundert töteten wütende Bauern daher rund 150.000 Kea, um ihre Herden zu schützen. Jetzt leben gerade mal nur noch knapp 5.000, und sie stehen unter Artenschutz, denn die Zeiten haben sich politisch korrekt geändert. Wer heute einen Kea erschießt, erwürgt, ertränkt oder vergiftet, kann sich 100.000 Dollar Geldstrafe oder sechs Monate Gefängnis einhandeln. Mit Naturschützern in Aotearoa ist nicht zu spaßen.

Mit den Kea-Jägern aber auch nicht. Zwei erschossene Papageien hingen vor ein paar Jahren festgetackert an einem Schild in Arthurs Pass, als Warnung an ihre dreisten Artgenossen. Man kann nur ahnen, welches Drama diesem Meuchelmord vorausging. An der wilden Westküste wurde einem Beamten der verhassten Naturschutzbehörde DOC ein toter Kea in die Einfahrt geworfen. Und vorvorige Woche kam es unfreiwillig zu einem Attentat am Skigebiet Porters nahe Christchurch. Ein Teenager, der mit seiner Schulklasse dort war, schmiss einem Kea einen Stein an den Kopf. Das Tier starb, die Polizei wurde alarmiert und das Opfer mitsamt den Schülern zurück zur Chisnallwood Schule gebracht, um den Leichnam der DOC zu übergeben. Mit kleinem Zwischenstopp: „Im Moment bewahren wir ihn im Kühlschrank des Lehrerzimmers auf, neben unseren geschmierten Broten“, wusste Schulleiter Richard Paton zu berichten.

Der junge Attentäter muss zur Strafe Freiwilligenarbeit im Naturschutz verrichten. Und für die malträtierten Schafe findet sich auch bald eine Lösung: Neuseeländische Forscher entwickeln ein Spray, das die Keas vom Schafspelz fernhalten soll. Das würde langfristig auch das Überleben der Vögel sichern. Der „Kea Conservation Trust“ hofft, dass sich Bekleidungsfirmen wie Icebreaker an dem Projekt beteiligen: „Wir haben delfinfreundlichen Thunfisch. Wie wäre es mit keafreundlicher Merinowolle?“ Fehlen nur noch DOC-freundliche Menschen.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

1 Kommentar

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  • OH
    Oliver H.

    Das Gerücht mit den Keas und den Schafen ist der Grund für die Fastausrottung. Auch wenn die meisten Keas nur von Kadavern fressen, so soll es wohl doch einige wenige alte Kea-Männchen geben, die man als "Schaf-Killer" bezeichnen kann. Das kommt aber eher daher, dass sich die Keas ohne böse Absicht auf den Rücken eines Schafes setzen und dieses dann in Panik gerät. Und durch das unkontrollierte Umherhüpfen kann das Schaf dann im felsigen Gelände verunglücken.