DIE WAHRHEIT: Die lustige Pöbelschar
Vogelwelt: Beleidigendes Verhalten in der Tierwelt.
Wer glaubt, pöbeln und beleidigen sei etwas rein Menschliches, ist eine selten dämliche Nuss. Denn leider ist so ein Verhalten in unserer Tierwelt gang und gäbe. Wer je die üble Beschimpfung eines arglosen Waldkauzes durch eine Drossel mit voll geöffneter Drosselklappe erlebte, wird den beliebten Singvogel kaum wiedererkennen!
Schon 1930 wurde so ein unwürdiger Eklat im beliebten Kosmos-Heftchen geschildert. Der Autor versucht eine halbherzige Rechtfertigung der zeternden Drossel: „Wahrscheinlich erklärt sich die weit verbreitete Abneigung der Kleinvögel gegen die Eulen dadurch, dass der Kauz gelegentlich einen sorglos schlummernden Singvogel wegkapert.“ Das mag sein, aber von einem kultivierten Singvogel erwarten wir doch eine andere Äußerungsform, eine fein gepfiffene traurige Ballade etwa.
Doch nicht nur Singvögel pöbeln. „Alle Tagvögel sind den Eulen abhold“, berichtet Brehm schon 1873. Besonders hervor tut sich das Krähengezücht, aber kaum besser sind die sonst so besonnenen Tagraubvögel, wie Bussard und Habicht.
„Fast sämtliche Tagraubvögel geberden sich wie unsinnig, wenn sie eine größere Eule erblicken, das gesamte kleine Geflügel hegt dieselben Gesinnungen und gibt dies durch lebhaftes Geschwätz und Geschrei zu erkennen“, schildert Brehm bedrückt. Und leider „vergreifen sich die starken Tagraubvögel auch thätlich an dem armen Finsterling.“
Der Mensch ist leider nicht viel besser: „Gar viele betrachten es als wahres Heldenstück, wenn sie eine Eule herabschossen“, berichtet Brehm in der eulenfeindlichen Zeit vor Harry Potter.
Am härtesten trifft der pöbelnde Vögelmob aber den „König der Nacht“, den majestätischen Uhu. Auch bekannt als Schuhu oder Buhu. Die größte aller Eulen ist ein lautloser Nachtjäger. Sein ärgster Feind, der Mensch, demütigt den stolzen Vogel als hilflosen Köder. Am helllichten Tag aufgebaumt und angekettet auf einem krückenartigen Pfahl, der sogenannten Jule, wird er Zielscheibe seiner Erzfeinde Krähe, Häher und Bussard.
Der „mutige“ Jäger sitzt bei dieser sogenannten Hüttenjagd gemütlich in seiner Krähenhütte und knallt die zeternden Vögel nach Belieben ab, sodass dem Uhu die Ohren klingeln. Dieser ist „der Lockvogel im schlimmsten Sinne des Wortes“ (Brehm). Er zeigt durch sein Augendrehen die Ankunft seiner Widersacher an.
Diese versuchen ihrerseits, ihren „Haß zu bethätigen und werden dabei von der Hütte aus niedergeschossen. Dass dieses Vergnügen gewöhnlich in eine Metzelei ausartet, braucht kaum erwähnt zu werden“, schimpft der alte Brehm. Das Stoßen der Vögel auf den Uhu nennt der Jägersmann in seiner Sprache übrigens treffenderweise „hassen“.
Und wie reagiert unser junger Waldkauz in der eingangs beschriebenen Szene? Er mustert zunächst kühl den unwillkommenen Ruhestörer, die Drossel. Dann rollt er verächtlich die Augen und knackt verärgert mit dem Schnabel, um dann im willkommenen Halbdunkel seiner Bruthöhle zu verschwinden.
Gut so – anstatt zurückzupöbeln gibt der Klügere nach. Zu gegebener Zeit wird er sich dafür mit einem sorglos schlummernden „Singvogel“ zum Nachtmahl trösten.
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