DIE SOZIALEN BEWEGUNGEN BRAUCHEN EINEN EIGENEN EUROPA-ENTWURF: Demonstrationen reichen nicht
Von außen betrachtet klingt „Europa“ immer noch verlockend. Gerade dort, wo die Menschen am meisten Gewalt und am meisten Ungerechtigkeiten erleiden, erscheint die Europäische Union als Trauminsel, als Ort, wo Frieden, soziale Gerechtigkeit und Wohlstand herrschen. Und wo – das ist der entscheidende Unterschied zwischen EU-Europa und anderen reichen Gegenden der Welt – alle Bürger von dieser Lebensqualität profitieren. Von innen gesehen aber ist die EU auf dem besten Wege, eben diese Einzigartigkeit zu zerstören.
Gemeinsam und seit Jahren arbeiten die Eliten in den einzelnen Ländern und jene in Brüssel daran, die öffentlichen Dienste zu demontieren, die soziale Versorgung auf ein Minimum zu reduzieren und das Arbeitsrecht zu flexibilisieren – all das mit dem erklärten Ziel, Europa zur „wettbewerbsfähigsten Region der Welt“ zu machen. Hauptnutznießer dieser Operation sind die multinationalen Konzerne und ihre Aktionäre, die umso stärker von dem europäischen Reichtum profitieren, desto weniger gerecht er verteilt wird. Barcelona ist nichts weiter als ein Meilenstein auf diesem Weg des Sozialabbaus in Europa, den Konservative und Sozialdemokraten gemeinsam betreiben.
Nennenswerter Widerstand gegen diese Politik ist nirgends in der EU auszumachen. Die einzige Garantie gegen die soziale Totaldemontage der EU sind die sozialen Bewegungen – von Gewerkschaften über Lobbygruppen gegen die Globalisierung bis hin zu linken Parteien. Sie zeigen die Möglichkeit einer anderen europäischen Politik auf. Bei den Demonstrationen in Barcelona waren, wie schon zuvor in Genua und Nizza, diejenigen Europäer versammelt, die in der Lage wären, gegen die liberale eine soziale EU-Harmonisierung zu setzen.
Doch dazu bedarf es mehr als Demonstrationen. Die sozialen Bewegungen Europas müssen positiv formulieren, wie ihr EU aussehen soll. Dass alle Bürger gleichen Zugang zu den Grunddiensten haben müssen – von der Information über die Erziehung, die Energie- und Wasserversorgung, das Wohnen, die Transporte und die Kommunikation – versteht sich dabei von selbst. DOROTHEA HAHN
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