DIE REGIERUNGEN MÜSSEN BEIM STABILITÄTSPAKT DAS LETZTE WORT HABEN: Sieg der Politik über die Wirtschaft
Fast sah es so aus, als wollten die Mitgliedsländer der Europäischen Union ihre Finanzpolitik dem Euro-Stabilitätspakt unterordnen – ganz so, wie Regierungen ihre Gesetze einer Verfassung unterordnen. Was im Stabilitätspakt festgeschrieben wurde, ist verbindlich – behaupteten die Finanzminister und Regierungschefs bis vor kurzem.
Nur: Jetzt ist es mit der Verbindlichkeit vorbei. Mehrere Länder stehen vor der Überschreitung der Stabilitätsgrenzen. Es zeige sich, dass der Schwur auf den Stabilitätspakt ein Meineid war, wird nun allenthalben kritisiert. Schlimmer noch: Der Meineid könne nicht einmal wirksam geahndet werden. Denn die EU-Kommission kann Deutschland, Frankreich und Portugal mit Strafen drohen, so viel sie will – es bringt nichts. Das letzte Wort haben die Regierungen.
Hoffentlich! Denn so funktioniert Demokratie. Man kann kritisieren, dass Deutschland oder Frankreich sich verhalten wie ein Übergewichtiger, der seine Diät aufgibt, sobald der Hunger kommt. Aber man darf gewählten Regierungen nicht ihr Recht absprechen, Einfluss auf so wichtige Entscheidungen wie die Haushaltspolitik zu nehmen – zumal wir sonst die zunehmende „Ökonomisierung“ der Politik beklagen.
Wer die laxen Regierungen allzu heftig kritisiert, vergisst: Der Stabilitätspakt ist kein Grundgesetz, in dem die Werte einer Gesellschaft verankert sind, sondern ein willkürlich festgelegter Vertrag für die junge Gemeinschaftswährung. Keine Frage, ein solcher Anker war und ist nötig, um die Stabilität des Euro nicht zu gefährden. Ob der Euro aber in erster Linie auf die Finanzpolitik der EU-Mitgliedsländer reagiert oder ob ganz andere Faktoren seinen Kurs beeinflussen, weiß keiner, weil der Euro ein Experiment ist.
Die Erschaffer des Euro hielten damals einen ausgeglichenen Haushalt für das A und O der Währungsstabilität. Die Erfahrung seit seiner Einführung 1999 zeigt allerdings, dass der Euro dann am wenigsten wert war, als es in den Kassen von Finanzminister Eichel am lautesten klingelte.
KATHARINA KOUFEN
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