DIE PDS REPRÄSENTIERT DIE IDENTITÄT DER OSTDEUTSCHEN NICHT MEHR: Nein in Schwerin, nein in Berlin
Die Niederlage der PDS ist enorm: Selbst in ihrer einstigen Hochburg Mecklenburg-Vorpommern verlor sie, sogar überdurchschnittlich viel. Regierungspartei wird die PDS dort trotzdem bleiben. Ihre abtrünnigen Wähler wanderten vor allem zum Koalitionspartner SPD. Für die Küstensozialisten stellt sich die gleiche Frage wie für ihre Berliner Genossen, die nach Meinung vieler mit ihrem rot-roten Sparsenat Schuld am Desaster haben. Nimmt die Ostpartei als Juniorpartner der SPD dauerhaft Schaden? Oder andersherum: Führen die Sozialisten nicht besser als Oppositionspartei aus Prinzip?
Doch die Frage ist falsch gestellt: Die wesentliche Funktion der PDS im Parteiensystem ist weder die einer Mehrheitsbeschafferin für die Sozialdemokratie noch die einer gesamtdeutschen, programmatischen Alternative. Beides strebt die PDS an, erreicht es aber bisher nicht. In der Bundesrepublik gibt es die SED-Nachfolgepartei vor allem aus einem Grund: Sie repräsentiert Menschen in Ostdeutschland, deren Sorgen und Nöte – vor allem aber Identitäten – im vereinten Deutschland nicht ausreichend vorkommen. Selbst das Label Friedenspartei hatte sie sich nur geborgt. Sobald Grüne und SPD es wieder zurückfordern, ist es sofort vorbei mit der sozialistischen Friedensdividende. Die Repräsentantin des Ostens zu sein, ist die conditio sine qua non der PDS.
Die sozialen Verhältnisse in Ost und West gleichen sich nicht einander an. Im Gegenteil: Die Dimension des wirtschaftlichen Niedergangs in weiten Teilen Ostdeutschlands ist einzigartig und bringt auch eine eigene Identität mit sich. Nur findet diese ihren politischen Ausdruck nicht mehr in der PDS. Vielleicht, weil die ostdeutsche Verliereridentität immer weniger mit der DDR in Verbindung gebracht wird.
Die Illusion einer linken CSU des Ostens ist also trügerisch. Klientelpolitik für vermeintliche Wendeverlierer hat keine Zukunft. Ohne Vorschläge und Ideen für die Gesellschaft der Gegenwart und für das ganze Land wird es langfristig nicht gehen – egal ob an der Regierung oder als Opposition.
ROBIN ALEXANDER
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