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DIE LISTEOlle Kamelle

Am Montagabend hat Pegida-Gründer Lutz Bachmann in Dresden über Bundesjustizminister Heiko Maas verkündet, dieser sei „einer der schlimmsten geistigen Brandstifter seit Goebbels“. Maas reagierte mit angemessener Gelassenheit: Er ließ über seinen Sprecher mitteilen, er werde auf eine Anzeige wegen Beleidigung gegen den wegen Drogen- und Eigentumsdelikten mehrfach vorbestraften Bachmann verzichten. Schließlich ist dessen Provokation, der NAZIVERGLEICH,eine ziemlich abgelutschte Kamelle, wie ein Blick in die Zitatekammer der letzten 40 Jahre zeigt.

+ 1975 +

Das Zitat: „Wenn Sie das Wort Marxist hören, geht es Ihnen so wie Goebbels damit operiert hat. Nichts anderes. Sie sind nämlich genauso dumm in dieser Frage, wie jener war, nur war er ganz jesuitisch raffiniert.“

Wer über wen: SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzender Herbert Wehner über die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Konsequenzen: Auszug der Unionsabgeordneten aus dem Plenarsaal. Ordnungsruf durch Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD).

+ 1982 +

Das Zitat: „Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.“

Wer über wen: SPD-Nachwuchshoffnung Oskar Lafontaine über Bundeskanzler Schmidt (SPD).

Konsequenzen: Keine. Das Verhältnis der beiden galt schon vorher als zerrüttet.

+ 1985 +

Das Zitat: „Ein Hetzer ist er, seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land.“

Wer über wen: Exbundeskanzler Willy Brandt (SPD) 1985 über den damaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler.

Konsequenzen: Empörung der Union, sonst keine.

+ 1986 +

Zitat: „Gorbatschow ist ein moderner Kommunistenführer. Er versteht etwas von Public Relations. Goebbels verstand auch etwas von Public Relations. Man muss die Dinge doch auf den Punkt bringen.“

Wer über wen: Kanzler Helmut Kohl über KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow

Konsequenzen: Diplomatische Verstimmungen mit der Sowjetunion, die Grünen forderten Kohls Rücktritt. Der distanzierte sich einige Wochen später von der Äußerung.

+ 2002 +

Zitat: „Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht.“

Wer über wen: Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) über den US-Präsidenten George W. Bush

Konsequenzen: Rücktrittsforderungen der Opposition. Däubler-Gmelin beteuerte, ihre Äußerungen zu den Vorbereitungen der US-Regierung für den Irakkrieg seien völlig falsch verstanden worden. Nach der Bundestagswahl 2002 berief Bundeskanzler Gerhard Schröder eine neue Justizministerin.

+ 2008 +

Das Zitat: „Adolf Nazi war ein charismatischer Redner. Oskar Lafontaine ist das auch.“

Wer über wen: Exbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) über den Linkspartei-Vorsitzenden Lafontaine.

Konsequenzen: Empörung der Linkspartei, sonst keine.

Pascal Beucker

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