DIE LEBENSVERSICHERER HABEN IHRE SERIOSITÄT VERLOREN: Wenn die Rendite schmeichelt
Die Deutschen mögen es gerne sicher. Unter Ökonomen heißt es, sie seien „Risiko-avers“. Als ganz besonderer Hort der Absicherung gegen die Unwägbarkeiten der Zukunft gelten seit jeher die Lebensversicherungen. Auf jeden Bundesbürger, vom Säugling bis zum Greis, kommen 1,1 Lebensversicherungen. Aktien dagegen hatten stets den Ruf, riskant zu sein – zu echt. Nur sind es nun ausgerechnet die Aktienkurse, die den gestern noch so seriösen Lebensversicherern zu schaffen machen.
Wie die Durchschnittsdeutschen hatten auch die Versicherer bis Mitte der 90er-Jahre wenig Vertrauen in die Börsen. Höchstens 10 Prozent ihres Kapitals legte die Assekuranz damals in Aktien an. Doch dann lockte die New Economy mit ihren Verheißungen, und bald galten Aktien als die schlaueste aller Geldanlagen. Kurzfristig ging es immer nur nach oben, und langfristig ist ihre Rendite ohnehin nicht zu schlagen – das ist für die Mehrzahl der Ökonomen nach wie vor ein Naturgesetz.
Auch die Versicherungen liefen zu diesem Irrglauben über. Einige Unternehmen halten mittlerweile 25 Prozent und mehr ihres Kapitals in Aktien – und ihre Aktionäre, umschmeichelt vom eigenen Shareholder Value, fanden das grandios. Nur darf sich eine Branche, die ihr Geschäft mit der Sicherheit macht, nicht von Euphoriewellen mitreißen lassen, zumal wenn sie ökonomisch so unvernünftig sind wie die New Economy.
Der härtere Wettbewerb in der Branche hat den Trend zur Kapitalanlage in Aktien verstärkt. Ende der 90er-Jahre drängten immer mehr Direktversicherer und ausländische Anbieter auf den Markt. Geblendet von den sagenhaften Wertzuwächsen ihrer Portefeuilles, versprachen die Lebensversicherer nun das Blaue vom Himmel herunter – Hauptsache, der Kunde unterschrieb den Vertrag.
Ihre Zusagen kann eine Reihe von Lebensversicherern jetzt nicht einhalten – Pech für die Branche, die ihre Seriosität verloren hat. Gänzlich überrascht ist davon im Risiko-aversen Deutschland aber eigentlich niemand. Schließlich stellt ein beliebter Spruch treffend fest: Nichts ist sicher, nur der Tod. KATHARINA KOUFEN
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