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DIE KAMPAGNE ZUM TIERSCHUTZ IM GRUNDGESETZ IST MISSVERSTÄNDLICHZündeln mit Vorurteilen

Nach dem Schächturteil des Bundesverfassungsgerichts war die Empörung groß. „Eine fürchterliche Tierquälerei wird für Religionsfanatiker legalisiert“, klagten militante Tierversuchsgegner. Allerdings gab es kaum Briefe, in denen die Richter direkt beschimpft wurden. Nach weit verbreiteter Meinung konnten sie nicht anders entscheiden, da der Tierschutz bisher nicht im Grundgesetz verankert ist. Umso mehr Hoffnungen werden auf die jetzt geplante Grundgesetzänderung gesetzt.

Eine zwiespältige Debatte. Zwar spricht nichts dagegen, den Tierschutz als „Staatsziel“ in das Grundgesetz aufzunehmen. Damit wird zumindest ein moralisches Signal gesetzt, das in der politischen Diskussion benutzt werden kann – etwa wenn es um die Verpflichtung zu artgerechter Tierhaltung geht. Gefährlich ist jedoch, dass die Diskussion momentan weitaus mehr mit islamischen Schlachtmethoden als mit christlichen Mastbetrieben zu tun hat. So haben SPD und Grüne ihren ohnehin geplanten Vorstoß just am Tag nach dem Karlsruher Urteil angekündigt. Und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat den Gesinnungswandel ihrer Partei ebenfalls mit dem Schächturteil begründet. Damit wird jedoch implizit die Karlsruher Entscheidung in Zweifel gezogen und entwertet. Es scheint so, als müssten die Verfassungsrichter nach der für Mai geplanten Grundgesetzänderung noch einmal neu diskutieren.

Dem Rechtsfrieden ist damit aber nicht gedient, weil sowohl falsche Erwartungen wie auch falsche Feindbilder geschürt werden. Denn Karlsruhe könnte auch nach der Grundgesetzänderung nicht anders entscheiden. Schon in seinem Urteil vom Januar hat es den Tierschutz als wichtigen „Gemeinwohlbelang“ in seine Abwägung einbezogen. Allerdings sah das Gericht keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass das (fachkundig durchgeführte) Schächten den Tieren mehr Leiden beschert als das Schlachten mit vorheriger Betäubung. Jedenfalls habe auch der islamische Schlachtritus, so das Gericht, den Tierschutz als Ziel und versuche jede Tierquälerei zu vermeiden.

Der muslimische Metzger Altinküpe hatte mit seiner Klage also deshalb Erfolg, weil sein islamischer Weg zum Tierschutz zumindest aus Gründen der Religionsfreiheit zu respektieren ist. Diese Karlsruher Argumentation hätte auch nach einer Grundgesetzänderung volle Gültigkeit. Das sollten PolitikerInnen wie Renate Künast und Angela Merkel deutlich machen. Sonst zündeln sie mit gefährlichen Vorurteilen. CHRISTIAN RATH

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