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DIE FLUGZEUGAFFÄRE HAT DIE US-CHINESISCHEN BEZIEHUNGEN BESCHÄDIGTEtappensieg für George W. Bush

Wie man mit anderen Supermächten umgeht, braucht man in den Vereinigten Staaten niemandem zu erklären. Ronald Reagan hat es einst mit dem Reich des Bösen, auch als Sowjetunion bekannt, vorgeführt: Man drückt sie an die Wand, man gibt nicht nach, und man bleibt der Stärkere.

Manch einer in den USA schlägt die gleiche simple Strategie nun auch für den Umgang mit der Volksrepublik China vor. Wer Taiwan bedroht, Gegner der Vereinigten Staaten mit gefährlichen Rüstungsgütern versorgt und die Menschenrechte mit Füßen tritt, soll spüren, dass solcherlei in Washington nicht gut ankommt. Und wer es wagt, ein US-Aufklärungsflugzeug über internationalen Gewässern anzurempeln, zur Notlandung zu zwingen und dann auch noch zu drohen, die Crew zu Geiseln zu machen, macht sich in den Vereinigten Staaten von Amerika keine Freunde.

George Bushs rüde vorgetragene erste Forderung nach sofortiger Freilassung der Flugzeugbesatzung folgte intuitiv dieser Denkschule und dieser Sicht der Dinge. Zeig es ihnen, mag manch patriotisch gesinnter US-Bürger gedacht haben. Doch wer die Dinge so sieht, der übersieht, dass Bush nach den ersten harten Worten rasch zurückruderte und seine Unterlinge und Emissäre von Außenminister Colin Powell bis hin zum ergrauten Pingpong-Diplomaten Henry Kissinger Möglichkeiten erkunden ließ, wie die Krise beizulegen sei.

Die Suche nach einem politischen Kompromiss geschah am Telefon statt vor den Kameras – fernab der Öffentlichkeit. Sie baute darauf, dass China heute nicht mehr ohne Rücksicht auf andere Staaten agieren kann. Ausfuhren in die USA im Wert von jährlich 100 Milliarden Dollar und das Wohlergehen von mehr als 50.000 dort studierenden Chinesen stehen auf dem Spiel, der Eintritt in die WTO, die Olympischen Spiele im Jahre 2008. Es funktionierte: Letztendlich kam die Crew frei, ohne dass irgendwer in Washington das hässliche Wort „Entschuldigung“ aussprechen musste.

Präsident Bush hat seine erste außenpolitische Krise überstanden. Doch die knifflige Frage, was zulässig sei bei solchen Spionagemissionen, wurde vertagt auf die in der kommenden Woche beginnenden Gespräche zwischen beiden Ländern. Die anfängliche Freude über die Freilassung der US-Crew wird dann doch noch getrübt werden – allein schon, weil Peking bislang nicht zur Rückgabe des fliegenden Horchpostens bereit ist. Bush hat lediglich einen Etappensieg für das heimische Publikum errungen. Die Spionageaffäre aber hat das komplexe Geflecht der Beziehungen zu China nachhaltig beschädigt. STEFAN SCHAAF

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