DIE EUROPÄER HOFIEREN RUSSLANDS PRÄSIDENT PUTIN: Wertlose Versprechen
Die Zeichen stehen gut. Die Absichtserklärungen auf dem Pariser Gipfeltreffen zwischen der EU und Russland signalisieren: Nach Jahren des Leerlaufs ist nunmehr beiden Seiten ernsthaft daran gelegen, die Kooperation zu vertiefen. Inzwischen genießt Europa in Moskaus außenpolitischem Konzept Parität, ja sogar Priorität gegenüber Washington. Die Anbindung Russlands an Europa ist für den alten Kontinent eine sicherheitspolitische und somit existenzielle Notwendigkeit. Je enger sich Moskau und Europa verzahnen, desto geringer die Erfolgsaussichten nationalistischer Heißsporne, die das Riesenreich am liebsten wieder in die Isolation führen möchten. Es gibt keine Alternative zum Wandel durch Annäherung.
Indes sollte diese nicht zur Preisgabe jener zivilisatorischen Werte führen, die den vagen Konsens der Europäischen Union tragen. War es in Paris nötig, Wladimir Putin wie einen verlorenen Sohn zu hofieren und ihm jegliche unangenehme Frage zu ersparen? Noch immer ist der Kremlchef der Oberkommandierende einer Streitmacht, die im Kaukasus einen erbarmungslosen Feldzug führt. In einem Krieg, der als solcher nicht benannt, ja nie erklärt wurde, und der sich fast ausnahmslos gegen die Zivilbevölkerung richtet. Wenn der Terminus Genozid nicht greift, da in der Tat die Systematik fehlt, so ist das, was sich dort täglich abspielt, vorsichtig formuliert, ein eklatantes Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Moskaus Ausreden haben sich seit Kriegsbeginn vor über einem Jahr nicht geändert. Nach wie vor hausiert der Kreml im Westen mit dem Verständnis für Notwehr gegenüber terroristischen Aktionen und der Infiltration fundamentalistischer islamischer Rebellen. Mag Moskau anfangs einen Grund zum Eingreifen gehabt haben, hat es inzwischen kein Recht mehr, den Frieden zu verhindern. Es sind Moskaus Militärs, die im Namen der Staatsräson dort Terror verbreiten. Und nicht zuletzt heizt der Kreml durch unbedachte Maßnahmen auch in der islamischen Region Mittelasiens die Stimmung an.
Warum hat niemand in Paris darauf hingewiesen? Die Chancen wären ausgezeichnet gewesen. Moskau braucht Europa, braucht vor allem dessen Geld, das langfristig mit den strategischen Vereinbarungen im Energiebereich nach Russland fließen wird. In diesem Kontext hätte man manch deutliches Wort sagen können. Stattdessen gab der Westen sich mit dem wertlosen Versprechen zufrieden, Moskau werde nach einer politischen Lösung suchen. Da lacht man sich im Kreml doch ins Fäustchen. Und führt ungerührt weiter Krieg im Kaukasus. KLAUS-HELGE DONATH
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