DIE EUROKRITERIEN SIND ZU STRENG – ABER SIE MÜSSEN WEITER GELTEN: Sparen ist kein Selbstzweck
„In Finanzministerkreisen“ denkt man bereits über die Aufweichung der strengen Maastricht-Kriterien nach – und in der Tat sind Zweifel berechtigt. Doch kommen sie jetzt zu spät: Die Finanzminister hätten vor der Definition der Kritierien daran denken sollen, dass sie in schlechten Zeiten vielleicht gerne mehr Schulden machen würden als nur die erlaubten jährlichen 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Jetzt über eine flexiblere Handhabung der Neuverschuldung nachzudenken ist zwar wirtschaftspolitisch richtig: Sparen ist kein Selbstzweck. Schon gar nicht mitten in der Konjunkturflaute. Doch finanzpolitisch ist ein solches Ansinnen falsch: Die Stabilität des Euros, die durch die Maastrichter Kriterien garantiert werden soll, hängt nicht nur von hartenWirtschaftsdaten ab – sondern auch von psychologischen Faktoren. Also von der Glaubwürdigkeit der gesamteuropäischen Finanzpolitik. Euroanleger und -investoren würden eine Neudefinition der Schuldengrenze als Opportunismus deuten. Rasch würde der Eindruck entstehen, dass in Brüssel das Motto „Was interessiert mich mein Gerede von gestern?“ gilt.
Noch gefährlicher für die Glaubwürdigkeit der europäischen Finanzpolitik wäre der Streit um das Wie, der sich absehen ließe: wie das Maastricht-Kriterium zu ändern sei. Denn was heißt „um konjunkturelle Einflüsse bereinigt“? Ob etwa die steigende Arbeitslosigkeit konjunkturell oder strukturell bedingt ist, das hängt davon ab, wen man fragt: So wird der Kanzler immer versuchen, möglichst viel auf die Konjunktur zu schieben – denn die kann er kaum beeinflussen; folglich dürfte er mehr Schulden machen. Seine Gegner hingegen werden ihm vorhalten, dass die Arbeitslosigkeit nur deshalb so hoch ist, weil die Kündigungsfristen zu lang sind und die Tarifabschlüsse zu verbindlich.
Die Eurominister wären gut beraten, die Maastrichter Kriterien erst wieder zu diskutieren, wenn es der Konjunktur besser geht. Um dann noch einmal prinzipiell zu hinterfragen, wie weit sich europäische Wirtschaftspolitik eigentlich den Sparzielen unterordnen soll. KATHARINA KOUFEN
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