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DIE EINWANDERUNGSKOMMISSION BEGINNT MIT DER ARBEITAsylrecht bleibt das Kernproblem

Die Einwanderungskommission kann loslegen. Endlich, möchte man rufen, denn das Thema wurde allzu lange, viele zu lange, weggeschoben und verdrängt. Jetzt darf man gespannt sein, welche Antworten die Fachleute aus Politik, Wirtschaft und Kirchen zusammen mit dem türkischen Vertreter in den nächsten Monaten erarbeiten werden.

Dass die Bundesrepublik Zuwanderung braucht, ist dabei keine Frage mehr. Das will selbst die CDU, die eine eigene Kommission gebildet hat. Auch die Frage, wer ins Land kommen soll – Armutsflüchtlinge oder Fachkräfte –, dürfte kaum noch zum Dissens führen. Einwanderung unterliegt nicht moralischen Kriterien, sondern Nützlichkeitserwägungen. So ist es in den USA, in Kanada und Australien. Und so wird es auch im Einwanderungsland Bundesrepublik sein. Auch bei den Grünen, die als erste Partei überhaupt ein Einwanderungsgesetz erarbeiteten, herrscht darüber kein Streit. In ihrem Vorschlag findet sich die Forderung nach jährlichen Quoten ebenso wie die Erkenntnis, dass Einwanderungspolitik Auswahlkriterien voraussetzt.

Was bleibt, ist das alte Kernproblem: Soll im Falle eines Einwanderungsgesetzes das Grundrecht auf politisches Asyl eingeschränkt werden? Soll statt des bisherigen, individuell einklagbaren Anspruchs künftig nur noch die institutionelle Garantie gelten? Innenminister Otto Schily hat sich für Letzteres ausgesprochen, übrigens bereits Anfang der 80er-Jahre, als er noch für die Grünen im Bundestag saß. Die CDU ist seit längerem dafür. Allerdings: Ein Bundesinnenminister und die Opposition machen noch keine große Koalition.

Rot-Grün wird daher den Teufel tun, die heikle Frage der Asylregelung im kommenden Jahr parallel zu einem Einwanderungsgesetz anzugehen. Wenn die Kommission im kommenden Sommer ihre Ergebnisse präsentiert, wird bereits der Wahlkampf vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt einen Streit über die weitere Einschränkung des Asyls zu führen, wäre für SPD und Grüne selbstmörderisch. Zu welchem Zwecke also werden die Ergebnisse der Kommission dienen? Sie werden die gesellschaftliche Diskussion weiter vorwärts treiben. Das allein ist für Rot-Grün schon nützlich – signalisiert die Koalition doch so, dass sie nicht bei der Green Card stehen bleiben will. Alles andere – Einwanderungsgesetz und das neue Asylrecht – wird dann die nächste Regierung angehen. In welcher Farbkombination auch immer. SEVERIN WEILAND

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