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DIE BEVÖLKERUNG DES IRAN WILL MEHR MACHT FÜR IHREN PRÄSIDENTENMandat: Demokratisierung

Wäre Mohammad Chatami ein Sportler, dann könnte man seinen zweiten hervorragenden Sieg einfach als neuen Rekord bewerten. Aber Chatami ist ein Politiker in der Islamischen Republik Iran. Und das erschwert die Bewertung erheblich.

Unbestritten ist, dass die überwiegende Mehrheit der Iraner an der Person und an dem Kurs des Präsidenten festhält – unabhängig von den bisherigen Ergebnissen. Dies drückte sich auch in der hohen Wahlbeteiligung aus. Der Reformer konnte zwar seine Wahlversprechen hinsichtlich der Demokratisierung des Landes nicht erfüllen – aber er hat versucht, dies zu tun. Chatami scheiterte an dem Widerstand des konservativen Lagers und an der Bescheidenheit der Machtbefugnisse des iranischen Präsidenten. Nach Artikel 110 der iranischen Verfassung hat der religiöse Führer, der keine Wahlbestätigung vom Volke braucht, die absolute Macht im Staate. Demzufolge ist der Wahlsieg Chatamis als Wille der Wähler, die Position des Präsidenten gegenüber dem Religionsführer und den Konservativen zu stärken, zu interpretieren. Der wiedergewählte Präsident hat nun erstmals die Chance, durch eine Verfassungsänderung die Erweiterung seiner Macht zu bewirken. Dafür hat er ein klares Mandat der Wähler und schon seit dem vergangenen Jahr eine Mehrheit.

Jetzt hängt alles von Chatami ab. Der Präsident muss sich einerseits in den nächsten vier Jahren als Reformer bewähren. Andererseits hat er die Aufgabe, den Religionsführer von der Notwendigkeit dieser Reformen zu überzeugen. Ob die Bewältigung dieser Doppelaufgabe dem Präsidenten gelingen wird, bleibt abzuwarten. Aber eins ist schon klar: Die Reformer im Iran haben mit enormem Widerstand und Repressalien ihrer konservativen Gegner zu rechnen. Aber sie haben diesmal bessere Karten und die politischen Erfahrungen, um die Macht ihrer Gegner zu zügeln und das Land allmählich zu öffnen.

Die Konservativen sind nicht imstande, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Denn das iranische Volk ist gegen Demokratie und Offenheit nicht immun. Das ist vielleicht das wichtigste Ergebnis der Wahlen. ABDEL MOTTALEB EL HUSSEINI

Freier Journalist aus dem Libanon. Lebt in der Eifel.

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