DGB über Rentenreform der SPD: „Ein Anrecht auf Leistungen“
Die Bekämpfung von Altersarmut ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagt Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand.
taz: Frau Buntenbach, laut aktuellem Gesetzentwurf von Hubertus Heil zur Grundrente bekommt nur derjenige eine Aufstockung, der die „Grundrentenzeit“ von 35 Jahren erreicht hat. Wird das viele Menschen ausschließen?
Annelie Buntenbach: Die meisten werden von einer Grundrente nach 35 Jahren profitieren. Entscheidend ist vor allem, was genau dabei angerechnet wird. Wenn etwa die Kindererziehung oder die Angehörigenpflege rausgelassen würde, wäre das viel härter. Trotzdem: Stichtagsregelungen sind grundsätzlich ungerecht, es gibt aber Wege, ihnen die Schärfe zu nehmen.
Zum Beispiel?
Ich könnte mir etwa ein Eingleiten in die Grundrente vorstellen. Wir werden das sicherlich im parlamentarischen Verfahren noch einmal zum Thema machen. Wichtig ist erst mal, dass es jetzt konkret weitergeht mit dem Gesetzesvorhaben.
Für viel Kritik sorgt der Finanzierungsvorschlag. Die SPD will auch zusätzliche Steuern erheben.
Entscheidend ist, dass ein signifikanter Anteil der Grundrente aus Steuermitteln kommen soll. Und das muss garantiert sein, unabhängig davon, ob diese zusätzlich geplanten Steuern kommen oder nicht. Die Bekämpfung von Altersarmut ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Nach dem aktuellen Vorschlag soll außerdem Geld von den Kranken- und Arbeitslosenversicherungen abgezweigt werden. Fehlen die Mittel dann nicht dort?
Uns wäre am liebsten, wenn alles aus Steuern finanziert würde. Aber der aktuelle Vorschlag ist für die Sozialkassen schon erheblich verträglicher als das, was vorige Woche auf dem Tisch lag. Jetzt sollen Rentenrücklagen verschont werden – was richtig ist.
ist seit 2006 Mitglied des DGB-Bundesvorstands und dort für die Themenbereiche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verantwortlich.
Eine Bedürftigkeitsprüfung schließt die SPD aus. Finden Sie das richtig?
Wir brauchen eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Anderenfalls würde das bedeuten, dass Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und sich um Angehörige gekümmert haben, am Ende ihres Arbeitslebens trotzdem zum Sozialamt müssen. Statistiken zeigen übrigens, dass zwei von drei Menschen, die im Alter ein Anrecht auf Leistungen haben, diese gar nicht in Anspruch nehmen, weil sie sich schämen, zum Amt zu gehen.
Aber ist es nicht ungerecht, wenn die Allgemeinheit etwa Menschen mit reichen Partnern mitträgt?
Noch viel ungerechter wäre es, diejenigen, die ein langes Arbeitsleben hinter sich haben, im Alter in Armut fallen zu lassen. Ich bin überzeugt, dass es bei Weitem nicht so viele Zahnarzt-Gattinnen gibt, wie es Zahnarzt-Helferinnen gibt, die eine Grundrente brauchen. Nach unseren Schätzungen hätten höchstens 10 Prozent der 3 Millionen Menschen mit Anrecht auf Grundrente ein höheres Einkommen.
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