DFB und Fifa gegen Hate Speech: 400.000 Hasskommentare
Der DFB will seine U17-Weltmeister gegen rassistischen Hass schützen. Nach einer Fifa-Studie betrifft Hate Speech im Netz vor allem Fußballerinnen.
Der Deutsche Fußball-Bund geht gegen Hate Speech im Internet vor. Diese Meldung hat durchaus einen Nachrichtenwert und ist nicht selbstverständlich. Der DFB hat das fast wortgleich am Dienstag in einer Pressemitteilung verkündet. Grund sind die zahlreichen, massiven und übelsten Beleidigungen, die via Social-Media-Kanälen über einige der deutschen Juniorennationalspieler ausgeschüttet wurden.
Sie sollen an dieser Stelle keine Weiterverbreitung finden. Nur so viel: Es ging um äußerliche Merkmale. Bemerkbar machte sich der wachsende rassistische Bodensatz dieser Gesellschaft, der sich damit schwertut, dass erfolgreiche Teams aus diesem Lande nicht mehr so blond und blauäugig daherkommen wie anno dazumal.
In 14 Fällen, so teilte der DFB mit, seien der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, weswegen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Der Verband wird in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Zit) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt aktiv. Nach Angaben des DFB sei dies bereits nach ähnlich rassistischen Angriffen auf U21-Nationalspieler im Juni geschehen.
Es tut sich also etwas beim Deutschen Fußball-Bund, nachdem 2018 der deutsche Nationalspieler Mesut Özil, das erste große DFB-Opfer von Hate Speech, noch beklagte, er fühle sich vom Verband gegen rassistische Attacken nicht geschützt. Nach dürftigen deutschen WM-Auftritten in Russland wurde Özil zum Sündenbock und nachträglich auch wegen seiner Kungelei mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan aufs Übelste beschimpft und verbal ausgebürgert. Özil warf der passiven DFB-Führung selbst Rassismus vor und trat zurück.
Hass-Schutzschirm mit Hilfe von KI
Wie virulent das Problem mit den Hatern weltweit in den sozialen Netzwerken ist, belegt auch ein Bericht, welcher der Fußballweltverband gemeinsam mit der Gewerkschaft der Profifußballer Fifpro am Montag vorgelegt hat. Dass dieses Problem in schönstem Gewand präsentiert wurde, garantiert schon die Mitarbeit der Fifa.
Gepriesen wurde nämlich, wie toll der Schutzschirm, der Social Media Protection Service, funktioniere, den die Fifa erstmals bei der Männer-WM 2022 in Katar zum Einsatz brachte. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden seither die Teilnehmer:innen der letzten sieben Großturniere geschützt. Auf ihren Social-Media-Kanälen werden Hasskommentare so gut wie möglich herausgefiltert.
Die Zahlen, die dank der neuen Werkzeuge ermittelt wurden, sind indes erschreckend. Bei der Frauen-WM im Sommer in Australien und Neuseeland hat jede fünfte Spielerin diskriminierende, beleidigende oder bedrohende Nachrichten erhalten. Die Hälfte davon waren homofeindlich und sexistisch beschimpfend. Im Vergleich zu den Männern bei der WM in Katar waren die Frauen um 29 Prozent häufiger Zielscheibe von Onlinebeschimpfungen. „Relevante Informationen“, versicherte die Fifa in ihrer Studie, würden den Mitgliedsverbänden und Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt werden.
Wie sehr insbesondere Fußballerinnen Anfeindungen ausgesetzt sind, musste jüngst auch die deutsche Nationalspielerin Svenja Huth erfahren. Der DFB hatte nach der Ankunft des deutschen Teams vor dem Länderspiel in Rostock gegen Dänemark ein Foto gepostet, das Huth mit ihrer Ehefrau und einem Kinderwagen zeigt. Der Verband hatte daraufhin größte Probleme, mit dem Löschen der Hassnachrichten gegen dieses Familienmodell hinterherzukommen, und warb wegen der Verzögerungen um Verständnis.
Bei der U17-WM in Indonesien, erklärt die Fifa in ihrem Report, sei der Social Media Protection Service ebenfalls eingesetzt worden. Dass sich der Hass auch jenseits der Social-Media-Aktivitäten der Profifußballerinnen und Fußballer seine Bahn bricht, damit setzt sich nun der DFB mit den Justizbehörden auseinander. Die 400.000 Hasskommentare, welche die Fifa nach eigener Zählung mit ihrem Schutzschirm abgefangen hat, sind wohl nur ein kleiner Bruchteil dessen, was im Umlauf ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen