DER BUNDESWEHREINSATZ IN AFGHANISTAN VERHINDERT KEINE ANSCHLÄGE: Krieg ohne Ende
Wieder einmal muss Rot-Grün am Anfang einer Legislaturperiode über einen Militäreinsatz entscheiden: Will sich die Regierung auch künftig an „Enduring Freedom“ beteiligen, dem seit zwölf Monaten laufenden Kriegseinsatz gegen die Al-Quaida-Terroristen? Dabei sind die aktuellen Spekulationen zweitrangig, inwieweit die deutsche Spezialeinheit „KSK“ unabhängig von den US-Truppen handeln darf. Viel wichtiger ist die Frage, ob der Bundeswehreinsatz etwas dazu beigetragen hat, das vom Bundestag festgelegte Ziel zu erreichen: die Verantwortlichen vom 11. September zu fassen und künftige Anschläge zu verhindern.
Danach sieht es nicht aus. Das Problem: Zum einen scheinen sich die Führungskader um Bin Laden in den Wohnblocks Karatschis derzeit sicherer zu fühlen als einst in den Felsbunkern Afghanistans. Und zum anderen: Der Auftrag, Terroristen festzunehmen und deren Ausbildungslager zu zerstören, setzt eine zentralistisch organisierte Gruppe voraus. Die Gefährdung durch unabhängig operierende Terrorgruppen, die sich nur gelegentlich bei al-Qaida propagandistische und finanzielle Unterstützung holen, ist durch solche Einsätze nicht einzudämmen. Im Gegenteil: Die Entwicklung in Pakistan – bei den Wahlen Anfang Oktober legten die Islamisten in den Grenzgebieten zu Afghanistan deutlich zu – deutet eher darauf, dass „Enduring Freedom“ die nächste Generation potenzieller Täter in die Arme der Terroristen treibt.
Die Wahrscheinlichkeit neuer Anschläge ist nach Einschätzung des US-Geheimdienstes CIA heute so groß wie im September 2001. Und auch Deutschland ist laut Bundeskriminalamt im letzten Jahr ein mögliches Ziel von Attentaten geworden. Schlechter kann eine Bilanz nicht ausfallen.
Nach einem Jahr Kampfeinsatz der Bundeswehr müssen nun dessen Befürworter belegen, dass der gewählte Kurs erfolgreich war – im Sinne der vom Bundestag definierten Ziele. Argumentiert die Bundesregierung stattdessen, dass der Krieg gerade deshalb fortgesetzt werden muss, weil er bislang noch nicht erfolgreich war, sind alle künftigen Verlängerungen des Mandats programmiert – und damit die deutsche Beteiligung an dem endlosen Krieg, den Bush will. ERIC CHAUVISTRÉ
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