DER BIOSKANDAL DARF NICHT ZUM RÜCKZUG INS FACHGESCHÄFT FÜHREN: Kein Argument gegen Supermärkte
Bio ist im Bioladen mehr bio als anderswo; fair gehandelte Waren sind im Weltladen fairer als im Supermarkt. Diese Argumente werden gerne genutzt, um zu kritisieren, dass es sozial- und umweltverträgliche Waren auch im konventionellen Supermarkt gibt. Und manche kritisieren sogar, dass das Angebot dieser Produkte im Supermarkt und die damit verbundene zunehmende Nachfrage das Vorkommen von schwarzen Schafen erst möglich gemacht habe.
Nun sind Weltläden und Bioläden sicherlich die Fachgeschäfte in ihren jeweiligen Ausrichtungen, aber sie erreichen nicht die große Masse der Konsumenten. Das Käuferverhalten spricht dagegen: Gerne kaufen wir alles aus einer Hand und möchten nicht für jedes Produkt einen neuen Laden aufsuchen. Trotzdem sollten diese Kunden in ihrem alltäglichen Einkauf nicht auf sozial- und umweltverträgliche Produkte verzichten müssen. Hier liegt die große Herausforderung für Produzenten, Verbände und die Supermärkte, in dem heftig umkämpften Lebensmittelmarkt eine Marktnische zu bedienen, die an Bedeutung gewinnt.
Jetzt heißt es, die Mechanismen der Zertifizierung transparent zu machen und die Informationspolitik zu verbessern. So kann die Glaubwürdigkeit wieder hergestellt werden. Da der faire Handel wie auch der Biohandel nicht nur aus Gutmenschen besteht, müssen die Kontrollen selbst immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. TransFair musste sich auch schon von Vertragspartnern verabschieden, die nicht mehr den Fairhandelsansprüchen genügten. Nun ist die Bioszene mit dem Nitrofen-Skandal in der Wirklichkeit angekommen.
Dieser Vorfall ist weder ein Grund für Schadenfreude noch ein Argument gegen die Ausweitung in die Supermärkte. „Small is beautiful“ – ja. Aber gegen eine Verschönerung des „big“ ist nichts einzuwenden. Deswegen sagen wir: Raus aus der Nische und rein in den Alltag – unter Einbeziehung der konventionellen Supermarktstrukturen. TransFair hat gezeigt, dass das System Erfolg hat. Jährlich kaufen rund drei Millionen Menschen fair gehandelte Waren in 22.000 Supermärkten. Davon profitieren die Bauern in der Dritten Welt und auch die VerbraucherInnen: Sie setzen beim alltäglichen Einkauf entwicklungs- und umweltpolitsche Akzente und erhalten leckere Lebensmittel. Dass sie auch gesund sind, müssen wir versprechen können. DIETER OVERATH
Der Autor ist Geschäftsführer von TransFair, Köln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen