DEMOKRATIE BEWAHREN HEISST KAMPFHUNDE VERBANNEN: Der Hund als Extremist
Der Tod des sechsjährigen Volkan K. durch die Bisse zweier Kampfhunde ragt aus der Vielzahl ähnlicher Meldungen heraus. Wenn ein Schulkind Opfer wird, kann jeder Opfer werden. Ein Opfer im Schulalter kann weglaufen, schreien, sich in Grenzen auch körperlich schützen. Wenn dies nicht ausreicht, den Tod abzuwehren, sind wir alle durch Kampfhunde bedroht.
Wenn ein Angriff auf dem Schulhof möglich ist, ist er überall möglich. Die Schule, öffentlich als Raum wie als Institution, verkörpert das Ideal der Bundesrepublik: das Bemühen, eine offene Gesellschaft zu sein. Offen für Kinder aller Schichten und Nationalitäten, plural in den Werten, diskursiv in den Methoden, partizipativ im Ansatz, emanzipatorisch in der Zielsetzung.
In ihrer Summe verkörpern diese Anliegen das bundesrepublikanische Verständnis von Demokratie. Altertümlicher ausgedrückt ist Schule der Inbegriff von Zivilisation. Nicht zuletzt um diesen Geist auszudrücken, gibt es um deutsche Schulen weder Stacheldraht noch Wachpatrouillen. Der Angriff der Kampfhunde von Hamburg erinnert daran, wie verletzlich die Demokratie ist.
Dass es bisher an einer angemessenen Reaktion des Staates fehlt, ist nicht das Versäumnis der Politik allein. Wir, Bürger wie Politiker, sind Beißunfällen meist begegnet, wie man Unglücken auf „Vermischtes“-Seiten eben begegnet: Das Erschrecken war so kurz wie das Achselzucken. Der Fall von Hamburg könnte das ändern.
Die Bundesrepublik muss jetzt eine verbindliche Abwägung zwischen zwei Ansprüchen auf Freiheit treffen: dem der Hundebesitzer auf Freiheit von staatlichen Eingriffen – und dem der Allgemeinheit auf Freiheit von körperlichen Angriffen. Dabei haben die Hundebesitzer, unbenommen der kulturellen Barrieren zwischen Brandenburger Skinheads und Frankfurter libertären Linken, die Kritiker eines starken Staates auf ihrer Seite. Trotzdem, der Staat sollte sich gegen beide Gruppen durchsetzen – auch wenn dies von beiden und zu Recht als Zumutung empfunden wird.
Der Maßstab für die staatlichen Eingriffe, die jetzt notwendig sind, ist einfach: Die Politik muss die offene Gesellschaft vor ihren Feinden bewahren. Heute gehören zu diesen Feinden die Kampfhunde. Wären die Angreifer des Volkan K. Menschen gewesen, müsste man bei der Repression abwägen: hier das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit, dort die Menschenwürde der Täter. Weil es sich um Tiere handelt, ist es so legitim wie angemessen, Kampfhunde aus unserer Gesellschaft zu verbannen – alle und für immer. PATRIK SCHWARZ
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