DÄNEMARK: DER RASSISMUS IST SALONFÄHIG GEWORDEN: Mehr als nur ein Wahlergebnis
Erstmals seit Hitlers Kolonnen das Land verlassen haben, wird eine offen rassistische Partei über das Sein oder Nichtsein einer dänischen Regierung mitbestimmen. Nicht nur das Ergebnis ist unanständig, sondern schon die Wahl. Denn der 11. September und die anschließenden Bombardierungen Afghanistans wurden von den PolitikerInnen nicht etwa als Tragödie, sondern als fantastische politische Möglichkeit gesehen, innenpolitischen Gewinn herauszuschlagen. Die Angst vor dem Terror sollte den Sozialdemokraten vier weitere Jahre an der Macht ermöglichen.
Was sich dann abspielte, war kein Wahlkampf, sondern eine Explosion an Demagogie. Und jeder, der glaubte, ein bestimmtes rassistisches Niveau werde das Argumentieren im einst liberalen Dänemark nicht überschreiten, sah sich am nächsten Tag eines Schlimmeren belehrt. Die Hoffnung, dass bei den bürgerlichen Parteien und den Texten auf ihren Plakaten nur Wahltaktik das Spiel bestimmte, war vergeblich. Die breite Öffentlichkeit, Medien und das Bildungsbürgertum – fast alle nahmen an dieser Meisterschaft in Fremdenfeindlichkeit teil und hielten sich heraus.
Die Mahner waren an den Fingern einer Hand abzuzählen. Aufsehen erregte da schon eine Zeitungsanzeige, mit der sich Filmregisseur Lars von Trier zu Wort meldete – mit der wahrlich bescheidenen Botschaft, doch bitte die Toleranz nicht völlig zu vergessen und eine „anständige“ Partei zu wählen. Und der Journalist Torsten Lauridsen fragte in einem Debattenbeitrag: „Wo seid ihr denn, liebe intellektuelle Elite? Könnt ihr nichts hören? Hört ihr nicht das Trampeln der Marschstiefel? Macht was! Es ist sonst bald zu spät.“ „Man muss ins Nazideutschland der Dreißigerjahre zurückschauen, um Ähnliches zu finden“, beschreibt der Soziologe Lasse Dencik diese massive gesellschaftliche Verschiebung. Angesichts der Entwicklung in den Köpfen sieht da das Wahlergebnis, zwölf Prozent für die Volkspartei, fast noch harmlos aus.
REINHARD WOLFF
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