DAS ZAUBERWORT FÜR KINDLICHES WOHLERGEHEN HEISST: INTEGRATION: Zwei Arten von Familienpolitik
In Deutschland gibt es derzeit zwei Arten von Familienpolitik. Die eine besteht darin, Anreize zu schaffen, damit möglichst viele Kinder gezeugt und geboren werden. Das hängt nicht mit Kinderliebe zusammen, sondern damit, dass die westlichen Gesellschaften Angst haben vor der eigenen Vergreisung. Um mehr Anreize zu geben, will Familienministerin Bergmann die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderkriegen erleichtern und dafür sorgen, dass mehr Kitaplätze entstehen, erklärte sie gestern. „Dienste“ seien wichtiger als Geld. Es ist richtig, dass mehr „Dienste“ erforderlich sind. Aber auch das Geld zählt.
Wichtig ist nämlich auch der zweite Weg der Familienpolitik: Der betrifft das Wohlergehen und die Lebenschancen der bereits existierenden Kinder. Das Zauberwort für das kindliche Wohlergehen heißt „Integration“. Es bedeutet, nicht von Widersprüchen zerrissen zu werden. Am schwersten haben es in dieser Hinsicht die Immigrantenkinder, Scheidungskinder und Kinder von Sozialhilfeempfängern.
Es wäre also vernünftig, wenn die öffentliche Hand vor allem diesen Kindern helfen würde. Deswegen ist es richtig, dass die Grünen mit ihrer „Kindergrundsicherung“ ärmere Familien stärker unterstützen wollen. Bekanntlich haben Sozialhilfeempfänger bislang nicht vom höheren Kindergeld profitiert.
Auch müsste man darüber nachdenken, den Wegfall der früheren steuerlichen Vorteile für Alleinerziehende zu kompensieren. Denn seit Beginn dieses Jahres erleben Alleinerziehende erhebliche finanzielle Einbußen. Es ist hingegen nicht nötig, an alle Eltern ein einkommensunabhängiges Familiengeld zu verteilen, wie die CDU das plant.
Überall dort, wo Kinder in den Rissen der Gesellschaft leben, sollte die Politik, so gut es geht, mit Geld helfen. Es geht also nicht allein um Kindergartenplätze. Die meiste Integrationsarbeit müssen ohnehin Mütter, Väter, Verwandte, Lehrer und vor allem die Kinder leisten. Daran führt kein Weg vorbei. BARBARA DRIBBUSCH
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