DAS US-KONJUNKTURPROGRAMM TAUGT ALS VORBILD FÜR DEUTSCHLAND: Nicht rechts, sondern modern
Niemand hätte gedacht, dass der Neoliberalismus so schnell von gestern ist. Aber in Krisenzeiten ändern sich nicht nur die politischen Programme im Handumdrehen, sondern auch alte Begriffe taugen nicht mehr. Mit traditionell „konservativer“ Wirtschaftspolitik hat das, was die Bush-Administration in den USA gegenwärtig macht, nicht mehr viel zu tun.
Nach den Attacken auf New York und Washington setzt sie planmäßig auf die Stärkung der Nachfrage. Natürlich bedient sie dabei auch die großen Unternehmen – etwa die angeschlagenen Fluggesellschaften. Doch auch die Normalbevölkerung wird mit zusätzlichem Geld versorgt. Ausdruck dessen ist die Absicht, die Arbeitslosenunterstützung anzuheben und die Steuern weiter zu reduzieren. Das aktuelle Konjunkturprogramm der US-Regierung soll bis zu 75 Milliarden US-Dollar umfassen. Addiert zu den bereits beschlossenen Ausgaben, gibt Bush damit rund 130 Milliarden Dollar zur Stimulierung der Wirtschaft aus: intelligente Wirtschaftspolitik, die auf eine neue Situation angemessen reagiert.
Nicht links, nicht rechts, sondern modern – mit dieser Ansage ist Bundeskanzler Gerhard Schröder angetreten. Doch sein gegenwärtiges Handeln bleibt hinter diesem Anspruch zurück. Anders als die Politiker in Washington beharrt die Regierung in Berlin darauf, dass der Ausgleich des Bundeshaushaltes oberste Priorität habe – letztlich heißt das „Sparen“. Nach den Anschlägen reagierte Bundesfinanzminister Eichel gerade nicht, indem er die Zügel locker ließ, um den Wirtschaftskreislauf anzuregen. Im Gegenteil: Die Steuern auf Tabak und Versicherungen wurden um drei Milliarden Mark erhöht, was zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen finanzieren soll, aber gleichzeitig den Konsumenten Geld aus der Tasche zieht.
Unflexibel und unmodern präsentiert sich die Bundesregierung zurzeit. Denn auch die Forderung der CDU- und FDP-Opposition, die Eichel als Quatsch abtut, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform, die für 2003 geplant ist, würde Bürger und Unternehmen um rund 13 Milliarden Mark entlasten – im Verhältnis etwa ein Viertel dessen, was die US-Regierung seit dem 11. September zusätzlich ausgibt.
Nun kann man argumentieren, dass Deutschland nicht angegriffen wurde, hier keine Rezession herrscht wie in den USA und auch der Bundeshaushalt keinen Überschuss ausweist. Einen Zustand der wirtschaftlichen Stagnation hat freilich auch Deutschland schon erreicht – und die Zeichen für die nähere Zukunft stimmen nicht optimistisch. Die Regierung sollte sich jetzt überlegen, was sie demnächst tun will – und ihr Beharren auf der Sparpolitik überdenken. HANNES KOCH
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