DAS URTEIL GEGEN MICROSOFT IST EIN ERFOLG DER ANTI-TRUST-POLITIK: Res publica versus Plutokratie
Blicken wir in diesen Tagen auf die Weltbühne, so wird dort ein Stück gegeben, das eine über das Geschehen hinausgehende symbolische Bedeutung hat. Es heißt „United States versus Microsoft“. In dieser Gegenüberstellung zwingt der Staat die Wirtschaft in die Knie. Ob er siegreich bleiben wird, ist eine Frage, die sich erst in der nächsten Instanz entscheidet. Sehen wir das Welttheater aber als moralische Anstalt, so ist der Aufbau des Antagonismus maßgebend: Gegen den alles beherrschenden Protagonisten Bill Gates formiert sich das schon fast vergessene Subjekt Staat; die Res publica wehrt sich gegen die Plutokratie. Ob sie erfolgreich bleibt oder nicht – die Weltöffentlichkeit nimmt zur Kenntnis, dass es gegen ihre Ohnmachtsängste, gegen das lähmende Bewusstsein von globaler Hyperkomplexität ein Mittel gibt: den Einsatz staatlicher Ordnung. Das passive Prinzip let the flow flow wird mit einem aktiven Prinzip konfrontiert, das Anti-Trust-Gesetzgebung heißt. In Amerika hat dieses Prinzip eine alte Tradition. An dem Sherman Act scheiterte schon Rockefeller im Jahre 1911.
Aber auch in Deutschland gibt es eine Tradition des Anti-Trust, und zwar eine solche, die theoretisch viel weiter entwickelt ist als die amerikanische. Es sei daran erinnert, dass die deutsche Gesellschaft in der Nachkriegszeit nach einem Konzept aufgebaut wurde, das diesen Gedanken zum Kern hatte: die soziale Marktwirtschaft, die ursprünglich nicht als Ultraliberalismus, gemildert durch sozialen Ausgleich, verstanden wurde, sondern als ein System, das auf small ist beautiful setzt und eine sozialverträgliche Ordnung durch die scharfe Bekämpfung wirtschaftlicher Machtanballung herstellt. Die der sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegende, aber verdrängte Philosophie nannte sich Ordoliberalismus. Die Denker dieser Schule – Eucken, Rüstow, Röpke, Böhm – hatten sich ebenso wie der Sozialismus eine befriedigende Lebenssituation der Massen zum Ziel gesetzt, sahen aber, anders als dieser, die Konkurrenz der Einzelegoismen als einzigen Weg dorthin. Insofern zwar Liberale, teilten sie doch nicht deren Vertrauen in ein völliges Laisser-faire. Ihr Konzept verstand die wirtschaftliche Machtanballung, sei es in der Zentralwirtschaft, sei es in den Großkonzernen, als Grundlage des Totalitarismus und setzte (darum „Ordo“) auf eine strikte staatliche Anti-Monopol-Politik.
Walter Eucken wurde anlässlich seines 50. Todestages gerade als Founding Father der sozialen Marktwirtschaft gefeiert. Seine Anti-Trust-Botschaft blieb dabei aber ungehört, und von Microsoft war keine Rede. Noch. SIBYLLE TÖNNIES
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