DAS DIENSTRECHT FÜR PROFESSOREN MUSS SICH ÄNDERN: Gekränkte Elite
„Die Habilitation soll für alle Fächer gesetzlich verboten werden“, so wehren sich 3.759 Professores in einer Anzeige gegen die geplante Reform ihres Dienstrechtes. Der Satz enthält die ganze Gekränktheit und Rückwärtsgewandtheit einer vermeintlichen Elite, für die nun – endlich – eine neue Zeit anbricht: Leistungsentlohnung, Nachwuchsförderung, Konkurrenz. Die Unterzeichner des Aufrufs suggerieren, dass die Wissenschaftsminister sie zu Illegalen erklären wollten. Ja, sie tun so, als ob an den Universitäten demnächst Schauprozesse gegen die verfemte Kaste der Hochschullehrer abgehalten würden. Nichts davon ist wahr.
Professoren sind in Wahrheit die letzten Adligen einer ansonsten ziemlich gründlich demokratisierten Gesellschaft. Kein Berufsstand hat derartige Privilegien. Sie sind unkündbare Beamte, sie üben eine praktisch unbeschränkte Lehr- und Forschungsfreiheit aus, und sie haben in den „demokratischen“ Organen der Hochschulen eine garantierte absolute Mehrheit. Einem Prof kann hierzulande niemand was.
Die amtierenden Professoren haben ohnehin nichts zu verlieren. Ihre Gehälter können nicht gekürzt werden. Im Gegenteil, auch sie werden von dem Leistungslohn profitieren, den die Reform des Dienstrechts bringen soll.
Diese Reform ist überfällig. Sonst werden sich die Hochschulen nur schwer ändern lassen. Warum zum Beispiel soll es weiterhin so sein, dass junge exzellente Wissenschaftler erst eine dicke Habilitationsschrift verfassen müssen, ehe sie die Chance bekommen, einen Lehrstuhl zu erklimmen? Dann sind sie in aller Regel jenseits der 40 – und froh, es endlich ruhiger angehen lassen zu können. Viele Professoren denken und handeln so, wie jeder in der Szene weiß – aber sie tun es ja nicht, weil sie schlechte Menschen wären, sondern weil ein antiquiertes System sie dazu zwingt.
Das Dienstrecht muss reformiert, also flexibilisiert, mit Leistungsanreizen versehen und offener gestaltet werden. Dennoch steckt im Widerstand der Professoren gegen das neue Dienstrecht ein nachvollziehbares Motiv. Niemand weiß genau, was passiert, wenn eine der Grundfesten der deutschen Hochschul-Trutzburgen geschleift ist. Dazu fehlt es an Erfahrungen, wie sich die prinzipielle Unabhängigkeit der Hochschulen unter den Bedingungen eines neuen Standesrechts bewahren lässt. Das soll nicht heißen, dass an den Unis alles unverändert bleiben soll. Aber es ist höchste Zeit, sich über die Idee einer neuen Universität Gedanken zu machen. Nur aus dieser Perspektive war das Lamento der 3.759 richtig. CHRISTIAN FÜLLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen