DAS CDU-PROGRAMM LIEFERT STOFF FÜR EINEN SPANNENDEN WAHLKAMPF: Weiche Schale, harter Kern
Was gestern richtig war, kann heute doch nicht falsch sein. Fast trotzig beharrt die CDU in ihrem neuen Grundsatzprogramm auf alten Forderungen, die im letzten Wahlkampf wenig Anklang fanden. So viel Abbau des Kündigungsschutzes und so viel Privatisierung wie nur möglich wünscht sich die Partei der Kanzlerin – und mehr Kopfpauschalen denn je. Das Prämienkonzept mit gleichen Beiträgen für Chef und Sekretärin wird von der Gesundheit auf die Pflege ausgeweitet. Von einer Sozialdemokratisierung der Union kann jedenfalls wirtschafts- und sozialpolitisch keine Rede sein.
Mehr Freiheit, weniger Staat – der christdemokratische Linksruck bleibt ein Hirngespinst von frustrierten Merkel-Gegnern aus der eigenen Partei und manchen grünen Merkel-Freunden, die mit einer soften CDU gerne koalieren würden. Warum sollte die Union ihren Kurs auch ändern? Der Blick nach Frankreich zeigt, dass rechte Regierungspolitiker durchaus gewinnen können, wenn sie eine noch rechtere Politik versprechen.
Doch kann Sarkozy als Vorbild für Merkel dienen, lässt sich sein Sieg in Deutschland kopieren? Wohl kaum. Der Blick zurück auf den eigenen Misserfolg bei der Wahl 2005 mahnt die Union zur Vorsicht. Ungeschminkt neoliberale Positionen sind hierzulande ebenso wenig mehrheitsfähig wie erzkonservative Gesellschaftspolitik. Deshalb hat die Union ihr Angebot erweitert. Sie umhüllt den harten Kern ihres Programms, der eine weitere Umverteilung von unten nach oben bedeutet, kunstvoll mit einer weichen Schale. Es gibt ungewohnt freundliche Worte über Migranten, neue Ankündigungen für mehr Klimaschutz – und als wichtigsten Trumpf eine modernisierte Familienpolitik. Hier passt sich die Union der Realität an – und sie versucht, eine große, bisher vernachlässigte Zielgruppe zu umwerben: berufstätige Mütter.
Was das für die Wahl 2009 bedeutet? Jenseits der Kuschellyrik liefert das CDU-Programm eigentlich genug Stoff für einen echten Richtungswahlkampf – auch wenn Merkel versuchen wird, mehr über Kinderkrippen und ihre außenpolitischen Erfolge als über Kopfpauschalen zu reden. Die versteckt sie lieber im Kleingedruckten. Ob sie damit durchkommt, liegt an der SPD. LUKAS WALLRAFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen