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DAS AMT DES BUNDESKULTURMINISTERS SOLLTE ABGESCHAFFT WERDENVerblasster Mythos

Jetzt wissen wir, was ein Herausgeberposten bei der Zeit und eine Professur für Philosophie gemeinsam haben: Beide Jobs sind attraktiver als der Posten des Staatsministers für Kultur. Innerhalb von nur vier Jahren hat schon der zweite Amtsinhaber aufgegeben, weil die Politik nicht mehr in seine Lebensplanung passte. Erst zog es Michael Naumann wieder zum Journalismus, jetzt kehrt Julian Nida-Rümelin zurück in die Wissenschaft.

Selten ist ein Mythos so schnell verblasst wie der des Bundeskulturministers. Zwischen dem Regierungswechsel 1998 und dem Berlinumzug ein Jahr später erreichte die Aktie des Unternehmens „Bundeskultur“ Schwindel erregende Höhen an der Börse der öffentlichen Meinung. Die großen Feuilletons rekrutierten eigens neues Personal, das die Leser in der „Provinz“ mit jeder neuen Wendung im schier endlosen Gezerre um die Hauptstadtkultur vertraut machte.

Wie in der New Economy gerieten die harten Fakten dabei aus dem Blick. Länder und Kommunen geben noch immer zehnmal mehr für Kultur aus als der Bund, und noch dazu mit weitaus mehr Effekt. Sie bezahlen auch nach vier Jahren offizieller Bundeskulturpolitik nahezu alles, was Deutschlands Ruhm als Kulturnation ausmacht – vom Goethe-Haus in Weimar bis zur Staatsoper in Stuttgart, vom Schauspielhaus in Bochum bis zur Pinakothek der Moderne in München.

Der winzige Etat des Staatsministers verschwindet dagegen im Auslandssender Deutsche Welle und in schwer durchschaubaren Stiftungen. Um auf die Dauer öffentlich wahrgenommen zu werden, hätte die Bundeskulturpolitik eine wirkliche Hauptstadt gebraucht – als Bühne zur glanzvollen Repräsentation. Doch daran war niemand interessiert, weder innerhalb noch außerhalb Berlins. Anders als Naumann versuchte der Bayer Nida-Rümelin gar nicht mehr, daran etwas zu ändern.

Bevor auch der nächste Kandidat nach zwei Jahren das Weite sucht, sollten die Koalitionäre mit dem Amt des Staatsministers verfahren wie die deutsche Börse mit dem Nemax: Sie sollten es wieder abschaffen. RALPH BOLLMANN

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