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D O K U M E N T A T I O N „Es fehlen die richtigen Proportionen“

■ Wir dokumentieren die Rede des israelischen Staatspräsidenten Herzog vor der Berliner Pressekonferenz in Auszügen

(...) Ich war immer der Ansicht, und nichts hat daran bisher etwas ändern können, daß eines der Probleme, die wir haben, wenn wir der Welt den arabisch–israelischen Konflikt erläutern, das Fehlen von Relationen bei denen ist, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Es könnte manchmal den Anschein haben, daß das Bild unscharf ist. Es scheinen die richtigen Proportionen zu fehlen. Regierungen und Medien, die die Gegend seit Jahren beobachten, erwachten mehr als einmal eines schönen Morgens und mußten überrascht Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, die sie nicht erwartet hatten: den Umsturz Chomeines im Iran, die Invasion der Sowjets in Afghanistan und den Iran–Irak–Krieg. (...) Soweit es den Weltfrieden anbelangt, ist der arabisch–israelische Konflikt meiner Meinung nach nicht das einzige zentrale und ausschließliche Problem im Mittleren Osten. Die ihn als solches bezeichnen, könnten, auch unabsichtlich, die öffentliche, ja sogar die Weltmeinung irreführen und so dazu verleiten, für die Welt gefährliche Situationen zu ignorieren. (...) Ein Ergebnis der Verzerrung hinsichtlich des Israelbildes und des arabisch– israelischen Konflikts war oft eine Relations losigkeit und daher das Versäumnis, den bisherigen Vorstoß auf dem Weg zum Frieden richtig einzuschätzen. Alle Regierungen Israels haben sich bemüht, den Friedensprozeß im Mittleren Osten voranzubringen; viele intensive politische Schritte sind unternommen worden (...) Da wir in den von uns kontrollierten Gebieten mit eineinviertel Millionen Arabern zusammenleben, nicht eingerechnet die ungefähr 700.000 israelischen Araber, pflegen wir schon lange einen ständigen, wenngleich informellen Dialog mit der arabischen Welt. So kommen zum Beispiel täglich etwa 100.000 Araber aus Judäa und Samaria, dem Westufer und aus dem Gaza–Streifen, um in Israel zu arbeiten. Jeden Tag überqueren Tausende von Bewohnern des Westufers und des Gaza– Streifens die Jordanbrücken, um nach Jordanien und in die arabische Welt zu gelangen bzw. von Jordanien nach Israel und die von Israel verwalteten Gebiete zu kommen. Alles in allem sind es jährlich 1,1 Millionen Menschen, und dazu kommen noch Erzeugnisse und Exporte im Werte von Millionen Dollar in beiden Richtungen. (...) Was ich hier zum Ausdruck bringen möchte, ist mit anderen Worten, daß der tägliche Kontakt zwischen Israel und der arabischen Welt viel enger und komplexer ist, als im allgemeinen wahrgenommen wird. (...) Nur wenige Menschen außerhalb Israels können das Ausmaß der Kontakte zwischen der jüdischen und der arabischen Welt überblicken. Das sollte aber der wichtigste Faktor in der Bewertung der Lage in dieser Gegen sein. (...) Ich bin Oberhaupt eines Staates, von dessen Bürgern 17 Prozent Araber und Drusen sind. In Anbetracht der Probleme, mit denen wir uns in den letzten 39 Jahren auseinanderzusetzen hatten, ist die Lage der vollständig in die israelische Gesellschaft integrierten arabischen Bevölkerung vielleicht eines der größten Tribute unserer freien und demokratischen Gemeinschaft . (...) Ich behaupte nicht, daß es keine Probleme gibt, oder daß Frieden herrscht - bei weitem nicht. Aber der im Ausland überwiegende Eindruck einer Schwarz–Weiß–Konfrontation zweier Völker wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Die grauen Schattierungen des Bildes sind gewichtiger als das Schwarz und Weiß.

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