: D-Mark: Nein danke!
Auf ihrem Länderrat begannen die Bündnisgrünen ihre Generaldebatte zur Europapolitik ■ Aus Magdeburg Dieter Rulff
Magdeburg (taz) – Es kommt nicht alle Tage vor, daß Helmut Lippelt und Jürgen Trittin einer Meinung sind. Noch seltener sind die Momente, in denen das dem realpolitischen Lager zugeordnete Grünen-Bundestagsmitglied Gefallen an den Worten seines dem linken Flügel zugezählten Parteisprechers findet. Ein solcher Moment seltener Einstimmigkeit war beim Länderrat der Bündnisgrünen am Samstag zu erleben, als Jürgen Trittin die europapolitische Generaldebatte seiner Partei mit einem klaren Plädoyer für den Euro einleitete und mit seinen Ausführungen Lippelts hohes Lob einheimste.
Die Währungsunion wird nach Trittins Ansicht für die nächsten Jahre wahlentscheidend sein. Um so mehr treibt den Bundessprecher um, daß seine Partei in der Frage des Euros bis in ihre höchsten Gremien hinein uneinig ist. In seinen Augen steht sie vor der Alternative: Ablehung oder Vertiefung und Erweiterung der Währungsunion. Und zu der von ihm befürworteten Vertiefung „gehört ein Ja zum Euro“.
Die Bündnisgrünen stehen bei ihrer Entscheidungsfindung unter Zeitdruck, denn spätestens seit die französischen Sozialisten Nachverhandlungen zum Euro zu ihrer Wahlkampfforderung erhoben haben, ist eine klare Haltung von ihnen gefordert. Und die Bündnisgrünen werden in eine, wie Trittin sie kennzeichnete, „schwierige Gefechtslage“ kommen. Denn bislang habe es die Euro-Gegner nur am rechten Rand des politischen Spektrums gegeben. Nun nehme er verwundert zur Kenntnis, daß sich die PDS „mit den Herren Brunner und Gauweiler zusammenraufe“, um für einen Volksentscheid gegen den Euro zu streiten. Der Bundesvorstandssprecher bezog sich dabei auf den jüngst von der PDS gefaßten Beschluß, gegen den Euro zu mobilisieren.
Schwierig dürfte damit die Gefechtslage für die Euro-Skeptiker bei den Bündnisgrünen werden, für Trittin hingegen ist sie klar: „Gegen die D-Mark-Fetischisten, heißen sie Gauweiler, Bisky oder Brunner!“
Gegen diese Alternative wandte sich die Europa-Abgeordnete Claudia Roth. Kritik am Euro heiße nicht, daß es Brunner-Positionen seien, stellte sie klar, und ließ jede Menge Kritik am Euro und an der europäischen Integration folgen – am Schengener Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit, das, wie Roth ironisch anmerkte, „am weitesten entwickelte Modell eines Kerneuropa“, an der mangelnden parlamentarischen Kontrolle der europäischen Entscheidungsprozesse und auch am Scheitern des Modells einer Unionsbürgerschaft.
Die Kritik, die die Euro-Skeptiker bei den Bündnisgrünen in einem Leitantrag zur Regierungskonferenz von Amsterdam zusammengetragen haben, umfaßt insgesamt 30 Punkte. Ihr Fazit: Wenn die EU-Regierungschefs Mitte Juni in den Niederlanden den Vertrag über die politische Union („Maastricht II“) beraten, „erhalten wir nicht mehr, sondern weniger Europa, wie Bündnis 90/Die Grünen es wollen“.
Nun war die Mängelliste unter den Delegierten des Länderrates weniger strittig als die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind. Albert Statz, der Koordinator der Europapolitik bei der Bundestagsfraktion, hielt den Euro-Befürwortern „politischen Illusionismus“ vor und zeigte sich angesichts der „Methode der systematischen Desintegration“, der in der augenblicklichen Europapolitik der Bundesregierung zum Ausdruck komme, „skeptisch, daß wir akzeptieren können, was da läuft“.
Reinhard Bütikofer, baden-württembergischer Landesvorstandssprecher, faßte diese Position schließlich zusammen: „Um so schlimmer für die Realität, wenn sie, gemessen an den Grünen-Idealen, scheitert.“ Er hielt den Euro-Skeptikern vor, sich in ihren Vorbehalten zu verbarrikadieren und „nicht zu sagen, was wir noch schlucken würden“. Er vermisse einen Strategievorschlag.
Dieser soll nun bis zum Herbst erarbeitet werden. Dann soll der Bundesparteitag die Haltung der Partei zum Euro festlegen. Trittin ist sich jetzt schon sicher, daß dann „niemand den Weg in die nationale Währung gehen will“.
Während der Magdeburger Länderrat die Euro-Frage offen ließ, beschloß er einstimmig ein Konzept zur Einkommenssteuerreform. Es entspricht im Wesentlichen dem Entwurf, den die finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Christine Scheel, erarbeitet hat.
Entgegen ihrer ursprünglichen Vorlage werden die Bündnisgrünen nun für eine Übergangszeit von einer Besteuerung der Zuschläge für die Nacht-, Sonntags- und Schichtarbeit absehen. Des weiteren soll die Auswirkung der Einkommens- und Körperschaftssteuersätze auf kleine und mittlere Betriebe nochmals überprüft werden.
Das grüne Modell unterscheidet sich vor allem durch den radikalen Abbau von Steuerminderungsmöglichkeiten und der Aufkommensneutralität von den Entwürfen der anderen Parteien. Mit ihrem Konzept werden die Bündnisgrünen nun in die Gespräche des Vermittlungsausschusses gehen.
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