Cyberattacke in Litauen: Websites gehämmert und gesichelt
Als Reaktion auf umstrittenes Gesetz zur Gleichstellung von Nazi- und Sowjetemblemen schmückten Hacker mehrere hundert litauische Internetseiten demonstrativ mit Sowjetsymbolen.
STOCKHOLM taz Rund 300 litauische Internetseiten verstießen am vergangenen Wochenende und teilweise auch noch am Montag in eklatanter Weise gegen ein vor zwei Wochen vom Parlament des Landes frisch verabschiedetes Gesetz: Sie waren mit der ehemaligen Flagge der Sowjetunion oder mit Hammer und Sichel versehen worden. Symbole, die vom litauischen Gesetzgeber dem Hakenkreuz der Nazis gleichgestellt wurden und deren öffentliche Darstellung deshalb verboten worden sind. Doch war es offenbar genau dieses umstrittene Verbot, gegen das sich diese mutmasslich von russischen Hackern ausgeführte Aktion richten sollte. In russischsprachigen Internet-Foren war jedenfalls seit einigen Tagen zu einem solchen Protest aufgerufen worden, um gegen diese Gleichstellung von Sowjet- und Nazisymbolen zu protestieren, sowie grundsätzlich gegen die Behandlung des russischsprechenden Teils der Bevölkerung in den baltischen Staaten. Der Hackerangriff offenbarte gleichzeitig grosse Sicherheitslücken. Vor allem die Server eines Webhosters waren betroffen. Obwohl das estnische Fernsehen schon vor einer Woche detailliert von den Plänen berichtet hatte, also eigentlich Zeit bestanden hatte, sich auf eine Attacke vorzubereiten. Ziel der Hammer-und-Sichel-Aktion waren neben den Internetauftritten grosser Firmen wie Toyota oder des Lebensmittelkonzerns Rimi auch die Homepages mehrerer Kommunen und Behörden und die Webseiten der sozialdemokratischen Partei von Ministerpräsident Gediminas Kirkilas. Der konnte sich aber immerhin damit trösten, dass die meisten Regierungsseiten besser gesichert waren und nicht abgeändert werden konnten. Nicht so die der Ethik- und Antikorruptionsbehörde VTEK. Auf der man am Samstag lesen konnte: "Ihr Schurken seid alle verrückt. Glaubt ihr denn, ihr seid die Beste aller Nationen? Verantwortungsvolle Menschen tun alles, was sie können für ihr Land, anstatt es zu vernichten wie ihr das tut." Während Verteidigungsminister Juozas Olekas gegenüber der Presse von einer ernsten Cyberattacke auf Litauen sprach, äußerte sich Sigitas Jurkevicius von der Internetsicherheitsbehörde RRT vorsichtiger: "Es war offenbar eine geplante Attacke." Man könne allerdings nicht sagen, aus welchem Land sie vorgenommen wurde. Proxyserver in Deutschland und verschiedenen asiatischen Ländern seien verwendet worden. Vor einem Jahr hatte es umfangreiche Attacken gegen estnische Webseiten im Zusammenhang mit den Unruhen um die Verlegung des Denkmals des "Bronzesoldaten" gegeben. Im Mai hatte die NATO beschlossen, ein Zentrum für die Abwehr von Computer-Angriffen auf ihre Mitgliedsländer in Estlands Hauptstadt Tallinn zu errichten. In russischen Internetforen werden bereits weitere Aktionen angekündigt. Unter anderem gegen Internetseiten aus der Ukraine. Begründet werden diese mit den Plänen dieses Landes, enger mit der NATO zusammenarbeiten zu wollen.
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