Crime time in Kreuzberg

■ Grundschüler protestierten gegen Gruselkabinett in Schulnähe. Bombendrohung beendet Protestaktion

Drinnen ratscht eine Säge durchs Bein, und ein Stöhnen wabert durch den Raum. Blut klebt am Boden, und eine Fratze glotzt hinter einem Leinentuch hervor. Am Eingang des am 1. Mai eröffneten Gruselkabinetts im Bunker am Anhalter Bahnhof grüßt ein Mann, der seinen Kopf in der Hand hält, und im Obergeschoß wird demonstriert, wie eine Garotte funktioniert. Ganz einfach: Die Schraube eines eisernen Halsringes wird nach hinten gezogen, das Opfer wird durch Erwürgen getötet.

Draußen vor dem Gruselkabinett, auf dem Vorhof der Kreuzberger Fanny-Hensel-Grundschule, laufen Lehrer, Eltern und Schüler auf und ab. Sie tragen Schilder, auf denen steht: „Dieser Bunker hat Menschenleben gerettet, jetzt verbreitet er Horror und Angst“ oder „Wer gruselt, sät Angst und Gewalt“. Gegen elf fahren zwei Polizeistreifen vor. Der Grund: eine anonyme Bombendrohung gegen das gerade eröffnete Gruselkabinett. Schulleiterin Dagmar Köppen muß die Protestaktion beenden, „es geht um die Sicherheit der Kinder“, und Betreiberfamilie Friedland muß aufgrund der polizeilichen Durchsuchung die „unheimliche Vergnügungsstätte“ für eine Stunde schließen. Der Streit zwischen den Nachbarn, der Schulleitung und der Familie Friedland, hat am gestrigen Sonntag seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Für Andrea Gennaro, deren Tochter die Fanny-Hensel-Grundschule besucht, ist eines klar: „Da drinnen wird Mord und Totschlag propagiert und hier, gleich nebenan, gehen Kinder zur Schule.“ Das könne nicht sein, dagegen müsse man sich zur Wehr setzen. Ein Gruselkabinett in der Nähe ihrer Schule hält Schulleiterin Köppen für eine Zumutung. Im Unterricht werde alles versucht, die Kinder aus 25 Nationalitäten zu einem friedlichen Miteinander zu erziehen – und das sei heutzutage schwer genug. An der Schule laufe gerade ein Anti-Gewalt-Projekt, für das der Senat Sondermittel zur Verfügung stellt. „Da ist es doch paradox“, sagt Lehrerin Margit Wörner, „daß von offizieller Seite ein solches Gruselkabinett hier genehmigt worden ist.“ Andererseits, betont Schulleiterin Köppen, sei die Verkehrssicherheit nicht gewährleistet. Der Vorhof, einziger Zugang zum „Bunker-Grusel“, diene den Schülern als Weg zur Sporthalle und zum angrenzenden Spielplatz.

Betreiber Rüdiger Friedland ist sauer. Er verweist auf den Mietvertrag, der vor zwei Jahren korrekt ausgehandelt und vom Bezirks- und Schulamt abgesegnet worden sei. Den Vorwurf, hier werde Gewalt verherrlicht, hält er für vorgeschoben. „Das, was die Kinder täglich im Fernsehen zu sehen bekommen, hat mehr mit Gewalt zu tun.“

Die Friedlands haben jetzt Anzeige erstattet, weil die Schulleitung angedroht hat, das Tor zum Vorhof verschlossen zu halten. Jens Rübsam