: Credo der Hoffnungslosigkeit
■ Düstere rumänische Wirklichkeit: „Blick vorwärts im Zorn“ im Panorama
Braila, eine mittelgroße Industriestadt an der Donau. Industrielandschaften und Arbeiter, die in rostigen Farben vor sich hinächzen. Fane, ein Arbeiter, der ein bißchen an Lothar Baier erinnert, wird zum Chef gerufen und bekommt seine Entlassung in die Hand gedrückt. Er nimmt das Papier, spuckt hinein und wischt damit im Gesicht seines Chefs herum. In der nächsten Szene steht er zusammen mit einem ebenfalls just entlassenen Kollegen am Tresen einer mit vielen bunten Lichtern zwielichtig blinkenden osteuropäischen Bar. Sie streiten sich. Mit geübten Schlägen – man weiß nicht wieso und weshalb – haut ihn der Freund zusammen und wirft ihn in die Donau.
Die Sitten sind rauh in Rumänien und die Verhältnisse deprimierend. Alles ist extrem ungerecht, denn Fane hatte schon damals an vorderster Front für die Freiheit gekämpft, der er nun zum Opfer fällt. Nicht nur das: Er hatte seinen Chef, einen ehemals regimetreuen Genossen, vor der Wut der Arbeiter bewahrt.
Die Botschaft ist recht deutlich: aufrechte Arbeiter werden weiterhin betrogen und belogen, während die Alten immer noch an ihren Machtpositionen sitzen. Doch der Film ist komplizierter und auch verworrener, denn als Drehbuchschreiber zeichnet nicht ein kleiner, von der rumänischen Revolution enttäuschter Intellektueller verantwortlich, sondern der ehemalige Kulturminister von Rumänien. „Für uns war das eine ziemlich ungewöhnliche Sache“, sagt der sympathische Filmemacher, der die lange Geschichte, die zur Entlassung des Kulturministers vor ein paar Monaten geführt hat, nicht erzählen möchte und stattdessen traurig hervorhebt, daß auch er in seinem Land wenig Hoffnung sehe.
Auf einer Ebene durchzieht diese Hoffnungslosigkeit den gesamten Film: Fane ist Alkoholiker und kommt auch mit seinen Gelegenheitsjobs nicht allzu weit, seine Tochter verdingt sich als Hure, seine Söhne sind Kleinkriminelle. Die Straßen sind schmutzig, die Wohnung ist schon lange nicht mehr gestrichen worden. Am Ende wird Fane, der gerade dabei war, wieder zum Arbeiterhelden zu werden, von Ex-Securitate-Leuten umgebracht.
Auf einer anderen Ebene ist der zwischen dokumentarfilmähnlichen und halb statischen Einstellungen changierende Film jedoch sehr schön. „Ich habe versucht, mich der Realität mit Wärme und Taktgefühl zu nähern“ sagt der Regisseur, und das ist ihm auch gelungen. Mit großer Sorgfalt zeigt er die Wohnung seiner Helden und weiß in Details zu überzeugen. Im Wohnzimmer stehen zum Beispiel zwei Fernseher übereinander. Die Räume sind fast alle grünblau gestrichen; die verdreckten Straßen sind lebendig, die Schauspieler haben eine sehr starke Präsenz und sind manchmal kurz davor, sehr lustig zu sein — doch der Regisseur und die rumänische Wirklichkeit lassen sie zuwenig.
Mit viel Sympathie schildert Nicolae Márgineanu auch die Gelegenheitsjobs von Fane: die Arbeit auf der Donau, in der Fabrik oder als Hundefänger. Die Rabiatheit, mit der er am Ende mit seinen Helden verfährt, hat etwas von einem Credo der Hoffnungslosigkeit und fällt so in das durchgehend düstere Medienklischee von Rumänien, das der Wirklichkeit sicher in vielen Teilen auch entspricht. „Look forward in anger“, fügt sich so eine Reihe von Filmen, die mal großartig, wie „Die Eiche“ von Lucian Pintilie, mal etwas hausbacken wir Mircea Daneliuc's letztjähriger Wettbewerbsbeitrag „Das Ehebett“ eine extrem düstere rumänische Wirklichkeit beschreiben, in der jedes Aufbegehren sinnlos erscheint.
Der Regisseur, der von arroganten Berliner Zuschauern nach der Vorstellung aufgefordert worden war, ein politisches Credo abzugeben – wie es beispielsweise um die Zigeuner bestellt sei — hatte, wie viele seine Landsleute, in der Ceausescu-Zeit noch die Hoffnung, daß es besser würde. „Nun haben wir diese Hoffnung nicht mehr.“ Detlef Kuhlbrodt
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