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Coronavirus breitet sich ausDrei weitere Fälle in Bayern

Die Zahl der Patienten mit der Lungenkrankheit steigt, eine bayrische Firma schließt wegen des Virus vorerst. Japan beginnt Landsleute aus China auszufliegen.

Eine «Äskulapnatter» vor dem Klinikum Schwabing, in dem der bayrische Coronavirus-Patient liegt Foto: dpa

Peking/München dpa | Die Zahl der Patienten mit dem neuartigen Coronavirus hinter der Lungenkrankheit in China ist wieder sprunghaft gestiegen. In Deutschland wurden vier Infektionen bestätigt. Die drei am Dienstagabend bekannt gewordenen neuen Fälle stehen in Zusammenhang mit dem ersten Patienten in Bayern, der sich bei einer Kollegin aus China angesteckt hatte.

In der Volksrepublik stieg die Zahl der Erkrankungen innerhalb eines Tages bis Mittwoch um 1.459. Damit sind mehr als 6.000 Fälle erfasst. Weitere 26 Patienten sind in China gestorben. So kletterte die Gesamtzahl der Todesfälle auf 132. Hierbei handelt es sich meist um ältere Patienten mit Vorerkrankungen.

Außerhalb der Volksrepublik gibt es unter anderem auch in Thailand, Japan, Singapur, Malaysia, den USA, Australien oder auch Südkorea Erkrankte mit dem neuen Virus. In Europa wurden auch in Frankreich vier Fälle bestätigt. Die meisten Erkrankten waren vorher in China. Allerdings gibt es zunehmend auch Infektionen, die außerhalb im Kontakt mit Reisenden aus China passiert sind – so etwa zuletzt auch in Japan und in Taiwan. Die Regierung in Peking hat ihren Staatsbürgern angeraten, Reisen ins Ausland vorerst zu verschieben.

In China sind die 11-Millionen-Einwohner-Metropole Wuhan und die umliegende Provinz Hubei in Zentralchina besonders schwer betroffen. Rund 45 Millionen Menschen wurden dort weitgehend abgeschottet. Flüge sowie der Nah- und Fernverkehr wurden ausgesetzt.

Japan begann damit, erste Landsleute aus dem Gebiet zurückzuholen. Eine Chartermaschine mit 206 Menschen aus Wuhan landete am Mittwoch in Tokio. Die Insassen benutzten nicht den normalen Flugterminal für reguläre Passagiere, sondern wurden in einem Spezialbus in eine medizinische Einrichtung gebracht. Weitere Flüge sollen folgen, da rund 650 Japaner zurückwollen. Auch Deutschland und andere Länder wie die USA, Südkorea oder auch Indien erwägen oder planen bereits konkret ähnliche Rückholaktionen. In Wuhan gibt es rund 90 Deutsche.

Infektionen bei Firma mit Standort in Wuhan

Die drei neuen Patienten in Deutschland sind nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums wie der erste Fall auch Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto in Stockdorf (Bayern). „Es wurde entschieden, dass auch die drei neuen Patienten in der München Klinik Schwabing stationär aufgenommen und dort medizinisch überwacht und isoliert werden“, teilte das Ministerium mit. „Bei einigen weiteren Kontaktpersonen läuft derzeit ein Test, ob auch hier eine Infizierung mit dem Coronavirus vorliegt.“

Wegen der Infektionen schließt Webasto seinen Stammsitz im oberbayerischen Gauting, bis Sonntag. Bis dahin sollen Mitarbeiter der Firmenzentrale auch nicht an nationale und internationale Standorte reisen, wie das Unternehmen am Dienstagabend mitteilte. Webasto ist ein großer Zulieferer für die Autoindustrie mit zwölf Standorten in China, einer davon in Wuhan. Die infizierte Chinesin, die zu dem Seminar der Firma gekommen war, hatte sich bei ihren Eltern in der Stadt angesteckt. Symptome entwickelte sie erst beim Rückflug nach China am 23. Januar.

Im Kampf gegen das Virus kommen in Deutschland neue Meldepflichten auf Fluggesellschaften und Krankenhäuser zu, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mitteilte. So sollen bei Flügen aus China die Piloten vor dem Landen den Tower über den Gesundheitszustand der Passagiere informieren. Reisende aus China sollen in Formularen Angaben zu ihrem Flug, Aufenthaltsort und ihrer Erreichbarkeit in den nächsten 30 Tagen machen. Kliniken sollen künftig auch schon begründete Verdachtsfälle auf das Coronavirus an das Robert-Koch-Institut melden müssen – nicht nur bestätigte Fälle.

Der erste Patient mit den neuen Virus in Deutschland, ein 33-jähriger aus dem Landkreis Landsberg am Lech, wird auf der Isolierstation im Münchner Klinikum Schwabing betreut, wie Clemens Wendtner, Chefarzt im Klinikum, sagte. Ihm gehe es gut. „Er ist fieberfrei, hat auch derzeit keine Atemwegssymptomatik mehr.“ Die Inkubationszeit beträgt bei der Lungenkrankheit bis zu zwei Wochen. Allerdings sind Infizierte bereits ansteckend, noch bevor sie Symptome zeigen, was die Eindämmung des Virus besonders erschwert.

Forscher suchen nach Gegenmittel

Das neue Virus 2019-nCoV stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Die Symptome – darunter trockener Husten, Fieber und Atemnot – können mit Medikamenten abgemildert werden. Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, zum Teil sogar ohne Symptome. Der neue Erreger ist dem Virus hinter der ebenfalls in China ausgebrochenen Sars-Pandemie 2002/2003 sehr ähnlich. Damals waren 8.000 Menschen erkrankt. Knapp 800 starben.

Australische Wissenschaftler haben inzwischen im Labor das Coronavirus nachgezüchtet. Das teilte das Peter Doherty Institut für Infektionen und Immunität in Melbourne am Mittwoch mit. Nunmehr könne in Zusammenarbeit mit anderen Instituten und der Weltgesundheitsorganisation WHO an einem Gegenmittel gearbeitet werden.

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3 Kommentare

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  • Pandemie hin oder her, wir können damit umgehen. Das ist die Lehre aus vielen vorhergehenden Pandemien. Entscheidend bleibt, nicht in Panik zu geraten und stattdessen besonnen und vor allem nach Massgabe des aktuellen Wissens zu handeln, s. a. www.l-iz.de/bildun...er-Menschen-307111

  • Wie so häufig bei unerwartet eintretenden Gefahren, reagieren die Behörden unzureichend und beschwichtigend, und vermehren dadurch erst das Risiko.

    Kennt man von Tschernobyl (Bayerische Regierung hat noch 2 Tage später verharmlost, die der SU sowieso), von Fukushima (Evakuierung zu spät), und derzeit sind die behördlichen Maßnahmen zur Isolierung und Quarantäne von Kontaktpersonen höchst unzureichend.

    Dass Maßnahmen unzureichend sind, erkennt man meistens daran, dass sie in ihrem Umfang beibehalten werden, wenn die Gefahr sich schon deutlich vermindert hat. Vorher zu wenig, für die Dauersituation dann angemessen.

    • @meerwind7:

      Ein paar Fragen seien mir bitte erlaubt: Der Vergleich von radioaktiver Verseuchung und der Pandemie einer infektiösen Erkrankung, soll das eine Kostprobe Ihrer satirischen Fähigkeiten sein? Oder glauben Sie tatsächlich sowas wie Fachkompetenz in diesen Fragen zu haben?



      Wie kommen Sie auf die Idee die Effizienz von Quarantäne-Maßnahmen beurteilen zu können? Und welche Maßnahmen würden Sie für angebracht halten?



      Was wir am allerwenigsten brauchen sind doch wohl Paranoia und Verschwörungstheorien.