Corona-Tests in Hamburg: Lieber heilen als testen
Hausärzt*innen fordern, weniger Corona-Tests zu machen, um Ressourcen zu sparen. Viele Testzentren soll es derweil erst einmal doch nicht geben.
Die Idee sei entstanden, als der Arztruf 116 117 überlaufen gewesen sei, weil auch viele Menschen ohne Symptome das Angebot überstrapaziert hätten. Am Montag gab die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) aber bekannt, dass sich die Lage beim Arztruf dank ausgebauter Kapazitäten und weniger Anrufe entspannt habe. „Wir sind problemlos erreichbar und schnell beim Patienten“, sagte Walter Plassmann, Vorsitzender der KVH. Testzentren seien derzeit nicht erforderlich, auch die Schutzkleidung reiche „auf mittlere Sicht“ aus.
Man habe sich mit der KVH darauf verständigt, die Pläne für Zentren bereitzuhalten und darauf zurückzugreifen, wenn die Lage es erfordere, sagte Prüfer-Storcks am Dienstag.
Ein Testzentrum solle jedoch als „Pilotprojekt“ starten. In Bergedorf hatte ein Hausarzt nach eigener Aussage gemeinsam mit dem dortigen Gesundheitsamt ein Drive-in-Zentrum geplant. Kurz vor der Eröffnung am Dienstag kam aber die Absage vom Gesundheitsamt. Für den Arzt, Gregor Brinckmann, vollkommen unverständlich.
Schutzmaterial ist Mangelware
„So toll, wie es laut Gesundheitsbehörde und KV angeblich bei den Tests läuft, läuft es nicht“, sagt Brinckmann. Zwar sei die KVH um Schutzmaterial bemüht, das gelinge aber nicht in ausreichendem Maße. Ein Drive-in sei eine gute Möglichkeit, vorhandenes Material gezielt und sinnvoll einzusetzen.
Brinckmanns Plan, dem sich auch andere Ärzt*innen anschließen wollten, ist, dass zunächst die behandelnden Hausärzt*innen entscheiden, ob jemand einen Test braucht oder nicht. Wenn ja, sollten die Patient*innen in das Zentrum kommen und sich unter Anleitung selbst testen. „Die Idee war, die Hausarztpraxen zu entlasten“, sagt Brinckmann.
Sie sei nicht gegen die Initiative gewesen, sagte Prüfer-Storcks am Dienstag. Es seien nur noch Dinge mit der KV zu klären gewesen und das sei nun geschehen. Die Senatorin betonte, wie umfangreich in Hamburg derzeit getestet werde.
Dass Ärzt*innen genau davon Abstand nehmen, fordert jedoch der Hausärzteverband Hamburg. In einem Schreiben an seine Mitglieder, das der taz vorliegt, fordert der Vorstand, dass Ärzt*innen nur dann auf das Coronavirus testen, wenn es das Management der Patient*innen ändere. „Das wird extrem selten der Fall sein, und dann auch nur, wenn die betreuende Hausärzt*in zufällig noch Schutzkleidung hat“, heißt es.
Außerdem solle medizinisches Personal Abstriche bekommen, „um rasch zurück zu den Kranken kommen zu können, sobald der Test wieder negativ ist“. Die Ärzt*innen sollen aufgrund der Symptomatik der Erkrankten handeln und nicht nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Er erwarte, dass die Kapazitäten für die Massen, die laut RKI idealerweise getestet werden sollten, nicht ausreichen, sagt Frank Stüven, erster Vorsitzender des Verbands, auf Anfrage der taz. „Insbesondere nicht, wenn Hausärzt*innen für Abstrichzentren eingesetzt werden, denn dies kann wirklich jeder erlernen.“
Auch Patient*innen ohne Corona müssen geschützt werden
Hausärzt*innen würden in ihren Praxen gebraucht und zwar auch von Patient*innen ohne Coronaviruserkrankung. Und auch um Patient*innen in Pflegeheimen besuchen zu können, brauche es Schutzkittel, damit nicht die Ärzt*innen möglicherweise das Virus zu ihnen tragen, schreibt Stüver in seinem Brief. Weniger Tests und klare Anordnungen auch bei möglichen Verdachtsfällen würden auch den Arztruf entlasten, dessen ausgebaute Kapazitäten bald für den Besuch bei kritisch Kranken benötigt würden.
Auch der Bergedorfer Arzt Brinckmann ist im Vorstand des Hausärzteverbands. Er sieht sein Drive-in-Testzentrum nicht im Widerspruch zu dem Schreiben des Verbands, stehe voll dahinter. „Unsere Aufgabe ist Versorgung und nicht Testung“, sagt er. Die Anleitung in dem Drive-in müssten auch nicht dauerhaft Ärzt*innen machen.
Auch die KVH unterstütze das Schreiben des Verbands, genauso wie den Ansatz, „nur dann zu testen, wenn das Testergebnis Auswirkungen auf die therapeutischen Entscheidungen hat“, sagt ein Sprecher auf Anfrage der taz. Die Position der Gesundheitsbehörde bleibt offen. Eine Anfrage der taz vom Montag blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die Behörde kündigte aber eine zeitnahe Antwort an.
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