Corona-Rede der Queen: „We'll meet again“
Die britische Königin hält die eines Staatsoberhauptes würdige Rede – und weckt Erinnerungen an Vera Lynns Lied zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges.
Jener grandiose Erfolg der Sängerin Vera Lynn aus dem Jahr 1939 begleitete die Soldaten Großbritanniens und des Commonwealth durch den Zweiten Weltkrieg. Das Lied und die Touren entlang der Kriegsschauplätze mit weiteren Schmachtfetzen brachten Lynn den Beinamen „the Forces’ Sweetheart“. Noch Jahrzehnte später füllte sie Stadien und ließ ihr Land in den Erinnerungen an eine große Zeit schwelgen. Der Bezug auf entbehrungsreiche Zeiten, in denen gemeinsam Großes geleistet wurde, passt zur Arbeitsplatzbeschreibung der Queen: die Moral anheben, Halt und Stabilität vermitteln.
Die Sängerin selbst, inzwischen 103 Jahre alt, meldete sich ebenfalls zu Wort. Mit einem knappen Voiceover über ein Video zur Musik von „We’ll meet again“ selbstverständlich. „Keep smiling and keep singing“, gibt Vera Lynn ihren Fans mit auf den Weg. Dass der noch recht lang und schmerzhaft werden kann, ist wohl zu befürchten. Der chronisch unterausgestatteten öffentlichen Gesundheitsfürsorge steht der Höhepunkt der Krankheitswelle schließlich noch bevor. Und so bleiben vielleicht nur Durchhalteparolen gegen den „unsichtbaren Feind“. Wie überall im Paradox gefangen, gemeinsam isoliert zu bleiben, bis die Gefahr vorüber ist. Die einen auf ihren Schlössern, die anderen in Sozialwohnungen.
Bleibt der britischen Bevölkerung wie uns allen nur zu wünschen, dass wir am Ende nicht der zynischsten Interpretation des Liedes beiwohnen müssen. Das Finale der bitteren Filmsatire „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ von Stanley Kubrick untermalt den tragenden Gesang Lynns mit einem in der Kinogeschichte einzigartigen atomaren Exzess, der die Idee einer wiederkehrenden Normalität völlig ad absurdum führt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin