Corona-Lage in anderen Metropolen (V): Geschäfte mit Negativzertifikaten
In Nairobi sind die Schulen zu, aber die Kneipen offen. In der internationalen Metropole verdienen Labore viel Geld mit Tests für Flugreisende.
Wenn man in Nairobi herumgeht, kann man glauben, dass die Infizierung mit dem Coronavirus über das Kinn erfolgt. Zwar tragen sehr viele Menschen in der kenianischen Hauptstadt eine Maske, aber sie befindet sich meist unter dem Mund. Nairobianer fürchten an erster Stelle nicht das Virus, sondern die Polizei.
Denn der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta hat für das Nichttragen eine Strafe von umgerechnet 200 Euro angekündigt. Hängt die Maske aber auf dem Kinn, dauert es nur eine Sekunde, um sie hochzuziehen, sollte ein Uniformierter auftauchen. Und den meisten, die erwischt werden, gelingt es, die Polizisten auf auf umgerechnet 100 Euro runterzuhandeln. Dann allerdings ohne Quittung.
Der erneute Aufruf des Präsidenten, Masken zu tragen, erfolgte, kurz nachdem es auch in Kenia zu einer zweite Welle des Virus kam. Die meisten bestätigten Coronafälle gibt es in Nairobi, zugleich Sitz des afrikanischen Hauptquartiers der UNO und Ort zahlreicher Büros internationaler NGOs und Firmen.
Im Frühling war Kenia für einen Monat von der Außenwelt abgeschlossen und Nairobi vom Rest des Landes. Die Regierung hat das schnell durchgesetzt, als bekannt wurde, wie rasant sich das Virus in Europa verbreitete. Experten glauben, dass durch diese Maßnahme und die Tatsache, dass die Bevölkerung sehr jung ist – die Hälfte ist jünger als 20 Jahre – die Zahl der Covidkranken und -toten einigermaßen begrenzt blieb.
Insgesamt gibt es bei einer Bevölkerung von 50 Millionen Menschen mehr als 63.000 Infizierte, davon mehr als 12.000 in Nairobi mit seinen rund vier Millionen Einwohnern. Mehr als 1.100 Menschen starben offiziell an dem Virus im ganzen Land.
Krankenhäuser waren bei der ersten Welle nicht überlastet, aber jetzt mangelt es an Betten. Das Land hat mehr als 18.000 Betten vorbereitet für Covid-Kranke, allerdings war das Ziel 30.000. Und das medizinische Personal hat mehrfach kurz gestreikt, weil es nicht genügend Schutzkleidung gab und sie zudem mehr Lohn verlangten.
Einige private Krankenhäuser und Labore in Nairobi haben sich auf Coronanegativzertifikate spezialisiert für diejenigen, die fliegen wollen oder müssen. Pro Test werden umgerechnet rund 100 Euro verlangt. Die Krankenhäuser und Labore verdienen gutes Geld damit, weil die vielen in Nairobi lebenden Ausländer oft mit dem Flugzeug unterwegs sind.
Eine nächtliche Ausgangssperre existiert bereits seit April. Und die Schulen sind, außer für jene Klassen, die kommendes Jahr Abitur machen, noch immer geschlossen. Viele Kinder in Nairobi zogen mit ihren Familien auf das Land, wo die Infektionszahl geringer ist. Dadurch fallen die üblichen kilometerlangen Verkehrsstaus in der Stadt etwas kleiner aus.
Jeder Kunde wird kontrolliert
Schlangen gibt es vor Büros und Geschäften, wo Security mit elektronischen Thermometern und antibakteriellem Handgel im Anschlag jeden Besucher und Kunden kontrollieren. Die einzigen Orte, die oft übervoll sind, sind die Kneipen. Die müssen zwar um 9 Uhr abends schließen, aber viele Nairobianer fangen deswegen einfach früher an zu trinken. Masken werden nicht getragen, weil man schließlich trinken will und es viel zu heiß ist. Vor einer vollen Bar an einem Samstagmittag meinte vor Kurzem ein Besucher: „Sterben muss ich doch, und dann lieber beschwipst.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier