Corona-Infektionsherd in Niederbayern: Gurkenernte wird größter Hotspot
Ein Corona-Ausbruch mit 174 Infizierten hat den Gemüsebetrieb in Mamming lahmgelegt. Behörden vermuten Hygieneverstöße.
Das Gelände ist eingezäunt, ein Sicherheitsdienst überwacht die Quarantäne, die Gurken bleiben auf dem Feld: Seit Sonntag gehen die Behörden massiv gegen den Corona-Ausbruch bei einem Erntebetrieb im niederbayerischen Mamming (Landkreis Dingolfing-Landau) vor. Dort waren 174 der insgesamt 479 Erntehelfer positiv auf das Coronavirus getestet worden. Ein Mann musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Obwohl damit die Grenze für einen Lockdown des Landkreises von 50 Corona-Infektionen auf 100.000 Einwohner deutlich überschritten ist, bleibt es bisher bei der Quarantäne nur für den Betrieb. Das sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei einer Pressekonferenz am Montag in München. Landrat Werner Bumeder (ebenfalls CSU) meinte, dass sich der Ausbruch in einem „in sich geschlossenen Personenkreis“ ereignet habe. Die meist unter sich lebenden und arbeitenden saisonalen Erntehelfer stammen aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine. Während ihres Aufenthalts bleiben sie meist in ihren Unterkünften.
Infolge dieses Ausbruchs verschärft die Landesregierung einige Coronavorschriften. So wird laut Söder der Bußgeldrahmen für Verstöße gegen Hygienekonzepte in Bayern von 5.000 auf 25.000 Euro erhöht. „Wir setzen jetzt die Strafen massiv rauf“, so der Ministerpräsident. Auch soll in landwirtschaftlichen Betrieben häufiger auf das Virus getestet werden, und Kontrollen durch die Behörden sollen „unangemeldet und Tag und Nacht“ erfolgen. Söder kritisierte in diesem Zusammenhang „Unvernunft, mangelnde Vorsicht und bewusste Verstöße gegen Hygienekonzepte“. Aus solchen Einzelfällen sollte „keine schleichende zweite Welle entstehen“.
Mamming ist derzeit der deutschlandweit größte Corona-Hotspot. Es bestätigt sich, dass das Virus häufig dort ausbricht, wo Menschen eng nebeneinander arbeiten, sich in Gemeinschaftsunterkünften aufhalten und dort schlafen. Das war auch beim Fleischkonzern Tönnies in Nordrhein-Westfalen der Fall, ebenso wie bei Ausbrüchen unter den Saisonkräften von Spargelbauern.
Vorschriften wohl nicht eingehalten
Bei der Gurkenernte liegen die Arbeiter auf sogenannten Gurkenfliegern – eng nebeneinander und auf dem Bauch. Die Maschinen fahren langsam über die Felder, während die Erntehelfer die reifen Gurken ernten. Auf die Nachfrage, wie dabei Infektionen wie jene von Mamming vermieden werden können, sagte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) bei der Pressekonferenz: „Offiziell wurde ausgemacht, dass immer dieselben Personen in derselben Reihe auf den Gurkenfliegern liegen.“
Melanie Huml, CSU
Huml ließ auch durchblicken, dass in Mamming Vorschriften und Regeln wohl nicht eingehalten worden seien. Der reguläre Ablauf ist: Der Betrieb legt beim Landratsamt ein Hygienekonzept vor, das besprochen und dann beschlossen wird. Dessen tatsächliche Durchsetzung bezeichnete Huml als „schwierig“. Womöglich seien die Saisonkräfte bei der Arbeit gut getrennt gewesen, „aber abends nicht“. Laut den Vorgaben sollten Gruppen von jeweils 25 Erntehelfern bei der Arbeit und in der Unterkunft zusammenbleiben, Kontakt zu anderen sollte es nicht geben. Dies wurde aber offenbar nicht eingehalten, vermutlich trafen sich unterschiedliche Arbeiter aus verschiedenen Gruppen am Feierabend.
Söder kündigte an, in Bayern nun alle Saisonarbeiter auf Corona testen zu lassen. Die Bevölkerung erhält zudem die Möglichkeit, sich kostenlos testen zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity