Corona-Impfstoffe in der EU: Zu wenig bestellt, zu viel bezahlt?
Es ist unklar, welche Impfstoff-Hersteller in der EU wie viel Geld bekommen und weshalb. Auf Twitter sind derweil Zahlen durchgesickert.
Für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist es ein „berührender Moment der Einigkeit“. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sprach von einem „emotionsgeladenen Tag für uns alle“. Die EU habe ihr Versprechen eingelöst, „Impfstoffe für alle zur selben Zeit“ zu liefern.
Doch zu welchem Preis? Was hat die EU-Kommission den kleinen Start-ups und den großen Pharmalaboren geboten, wieso wurden ausgerechnet von Biontech/Pfizer nur 300 Millionen Dosen bestellt? Auf diese Fragen gibt es auch kurz nach dem Start der „historischen“ Impfkampagne keine Antwort in Brüssel.
Man habe „günstige Bedingungen für die Bereitstellung von bislang fast 2 Milliarden Impfstoffdosen ausgehandelt“, heißt es in der EU-Behörde. „Der genaue Preis je Dosis unterliegt derzeit noch der Geheimhaltungspflicht.“ Eine Veröffentlichung der Verträge „wäre schädlich für die gesamte Beschaffungsprozedur“, warnt von der Leyen.
Dabei sind längst Details durchgesickert. Als Erste hat die belgische Staatssekretärin Eva De Bleeker in einem Tweet Preise genannt. 12 Euro wolle die EU für das Präparat von Biontech/Pfizer zahlen, 18 Dollar für den (noch nicht zugelassenen) Impfstoff von Moderna, nur 1,78 Euro für Oxford/AstraZeneca.
Deutschland schert aus
Allerdings handelt es sich offenbar um Basistarife, für die nach Auslieferung noch ein Zuschlag fällig wird. So berichtete die Nachrichtenagentur Reuters wenige Tage später unter Berufung auf interne Dokumente, dass die EU für den von Biontech entwickelten Impfstoff 15,50 Euro zahle – also 3,50 Euro mehr als zunächst berichtet.
Dieser Preis liegt etwas unter dem, was die USA mit 19,50 Dollar für die ersten 100 Millionen Dosen desselben Mittels hinlegen. Die Differenz erklärt sich wohl aus der größeren Bestellmenge – die EU hat insgesamt 300 Millionen Einheiten geordert.
Doch Deutschland hat schon jetzt seinen Anteil von zunächst geplanten 40 Millionen Impfdosen aus der EU-Bestellung auf nun 55,8 Millionen aufgestockt. Über nationale Zusagen wurden weitere 30 Millionen bei Biontech bestellt und 50,5 Millionen beim Hersteller Moderna.
Damit schert die Bundesregierung aus der europäischen Solidarität aus und reserviert sich zusätzliche nationale Kontingente. Dabei wäre dies nach einem Spiegel-Bericht gar nicht nötig. Biontech habe demnach bis zu 500 Millionen Impfdosen angeboten, die EU-Kommission wollte aber nur 300 Millionen haben.
Auch dazu will sich die Behörde nicht äußern. Trotz mehrfacher Nachfragen aus dem Europaparlament bleibt die Transparenz in Brüssel auf der Strecke. Dies könne das dringend nötige Vertrauen in die Impfkampagne schwächen, fürchtet der grüne EU-Abgeordnete Rasmus Andresen. Doch an von der Leyen prallt diese Warnung ab – sie rührt lieber weiter die Werbetrommel in eigener Sache.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken