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Corona-Bekämpfung in BerlinPolitik in der Zwickmühle

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Sinkende Inzidenz, steigende Impfrate, dazu der Betrug bei Tests in NRW: Der Senat muss grundsätzlich über die weitere Corona-Strategie reden.

Schild raus, Stäbchen rein: so einfach macht man ne Teststelle auf. Kritiker sagen: zu einfach Foto: dpa

W er eine Pandemie bekämpfen will, tut gut daran, sich die aktuelle Situation in Berlin anzuschauen. Auch wenn da nicht alles perfekt läuft: Es ist ein Wahnsinn, was die Mit­ar­bei­te­r*in­nen in den sechs großen Impfzentren jeden Tag mit einer unglaublichen Freundlichkeit leisten. Viele große Unternehmen und Verwaltungen haben inzwischen nachgezogen und bieten ihren Angestellten Impfungen im Haus an; die Haus- und Fachärzte spritzen, was die Vorräte hergeben.

Wen all das nicht erreicht, kann auf eine umfassende Testinfrastruktur zurückgreifen: Die Lieblingskneipe, der T-Shirt-Shop, der Club sind Testzentren. Das Leben in Coronazeiten wird so Tag für Tag erträglicher und ein Stück weit „normaler“. Und die alte Forderung „Testen, Testen, Testen“ aus den Anfangstagen der Pandemie ist endlich umgesetzt.

Das funktioniert so gut, weil Wirtschaft und Politik zusammenarbeiten. Die schnelle Zulassung der vielen Testzentren ist zugleich eine direkte Finanzspritze für viele oben genannte Einrichtungen und notwendig, denn der Staat alleine wäre kaum in der Lage gewesen, die Infrastruktur so umfassend aufzubauen.

Doch dieser Idealzustand, dieses ausgependelte Gleichgewicht zwischen Politik und Wirtschaft kann nicht lange bestehen; schließlich ist es Sinn und Zweck von Testen und Impfen, die Pandemie zu besiegen. Je mehr Menschen geimpft sind, je stärker die Inzidenz sinkt, desto mehr wird die Testpflicht für viele Bereiche infrage gestellt. Und mit ihr der Betrieb der über 1.000 Berliner Testzentren, die nach Angaben von Senat und Be­trei­be­r*in­nen längst nicht ausgelastet sind.

Der Goldrausch in der Testbranche dürfte seinen Höhepunkt überschritten haben.

Den Anfang haben Vertreter der Wirtschaft und Opposition längst gemacht: die FDP etwa fordert, die Testpflicht für Außengastronomie zu streichen. Auch andere Branchen klagen über massive Umsatzeinbrüche durch diese Vorgabe, etwa die Friseure. Der Goldrausch in der Testbranche dürfte seinen Höhepunkt überschritten haben.

Auswirkungen des Betrugsskandals in NRW

Dazu kommt der aktuelle Betrugsskandal in Nordrhein-Westfalen, wo von einem Betreiber deutlich mehr Tests abgerechnet als durchgeführt wurden; zudem bestehen Zweifel an der Sorgfalt der wirklich gemachten Tests. Hier fallen der Politik die notwendigen niedrigen Anforderungen für die Einrichtung eine Testzentrums auf die Füße: Selbst wenn es in Berlin keine ähnlichen Betrugsfälle geben würde (was überraschen würde), sind Tests, denen man nicht vollständig vertrauen kann, eben keine Tests. Sprich: Darauf lässt sich auch keine Strategie für die Öffnung von Innengastronomie, Theatern, Popkonzerten etc. bauen.

Wenn sich der Senat am Dienstag wieder trifft, um das weitere Vorgehen zu beraten, muss es daher um mehr gehen, als nur weitere Lockerungen zu verkünden: Wie soll der Kampf gegen die Pandemie weitergehen, wenn die sich a) in rapiden Tempo abschwächt und b) Testen nur noch für die Innenräume notwendig sein wird?

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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