Computerspielemarkt schwächelt: Eintauschen statt Kaufen
Auch die erfolgsverwöhnte Game-Branche leidet unter der Rezession. Stattdessen boomt das Geschäft mit preiswerterer Gebrauchtware. Auch der E-Commerce-Riese Amazon will mitspielen.
Kein Bereich der Unterhaltungselektronikindustrie boomte in den letzten Jahren so sehr wie das Videospielegeschäft. Während die Musikindustrie regelmäßig mit zweistelligen Umsatzrückgängen konfrontiert wird und Hollywood mit DVD-Piraten kämpft, kannten die großen und kleinen Game-Konzerne mit ihren Produkten für PC und Konsolen nur eine stetig nach oben zeigende Absatzkurve. Zuletzt hatten sie mit dem Umsätzen sogar das Filmgeschäft überholt.
Doch in der Rezession leidet nun auch das einst so erfolgsverwöhnte Segment. Spieleriesen wie EA entlassen hunderte Mitarbeiter, während kleinere Firmen wie Midway vor der Pleite stehen. Eine Überhitzung des Marktes trifft auf die Auswirkungen der Finanzkrise.
Einer der Gründe für die teils lahmenden Absätze dürfte aber auch in einem anderen Phänomen liegen: Dem Geschäft mit Gebrauchtware. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich professionalisiert - statt kleinen Hinterhofläden, die alles an- und verkauften, was verfügbar war, nehmen inzwischen Großunternehmen daran teil. Die Idee: Hat ein Gamer ein Spiel durchgespielt, tauscht er es einfach gegen einen neuen Titel ein - wofür er Rabatt auf den Neupreis erhält. Geld verdient dabei allerdings nur der Händler, nicht der Spieleproduzent, denn der hat seinen Titel ja bereits einmal abgesetzt.
Die international erfolgreichste Firma im Gebrauchtspielegeschäft ist GameStop, ein aus Texas stammendes Unternehmen, das im deutschsprachigen Europa derzeit mit über 200 Läden vertreten ist. Es schluckte 2005 den Konkurrenten EB Games in einer Fusion, die die Reichweite der Kette deutlich erhöhte.
Hier zu Lande betreibt der Konzern zahlreiche Filialen von Aachen bis Wuppertal. Allein in Berlin gibt es derzeit 15 Geschäfte vor allem in großen Einkaufszentren. Neben der regulären Vermarktung neuer Titel bemüht man sich aggressiv um das "Used"-Geschäft. Angekauft werden neben benutzten Konsolen der aktuellen und letzten Generation vor allem einzelne Spiele.
Das Prinzip dabei ist immer gleich: Der Kunde bringt seine Hard- und Software ins Geschäft und bekommt dafür Rabatt auf Neuware. Werden besonders populäre Titel gewünscht, wird diese zur Verkaufsförderung in Sonderaktionen noch etwas billiger gemacht. Manchmal lohnt sich das Geschäft, manchmal auch nicht. So erhält man auf eine "Wii"-Konsole von Nintendo erst dann 100 Euro Abschlag, wenn man eine PS2-Konsole inklusive sechs Spielen oder sechs Spiele für Nintendo DS oder Sony PSP in den Laden trägt. Auf Online-Auktionen wie eBay lässt sich hier mit etwas Glück mehr erzielen, auch wenn es für den Verkäufer anstrengender ist.
Dennoch kommt das Prinzip "alt gegen neu" bei den Spielern gut an: GameStop zielt vor allem auf diejenigen, die ein Game "fertiggespielt" haben und nun zum nächsten Toptitel ziehen wollen. Tatsächlich landen große Teile der Spielesammlung selbst bei aktiven Nutzern im Regal und werden nur noch selten herausgeholt; dementsprechend bietet sich ein Verkauf insbesondere in schwierigeren Zeiten an. Genau davon profitieren Anbieter wie GameStop.
Bei Amazon will man dem Modell nun nacheifern. Der Plan: Der E-Commerce-Riese wird zunächst in den USA einen eigenen "alt gegen neu"-Service aufsetzen. Dazu wählt man den zu verkaufenden Titel, der in guter Kondition und mindestens noch 10 Dollar wert sein muss, schickt ihn kostenlos an Amazon und erhält dafür dann einen Amazon-Geschenkgutschein. Den kann man dann für alles einsetzen, was Amazon anbietet - und das sind neben Medienprodukten inzwischen faktisch alle wichtigen Produktklassen des Einzelhandels außer Frischeprodukte. Da kann GameStop nicht mithalten. Die angebotenen Preise halten sich aktuell allerdings in engen Grenzen: So bekommt man etwa für "GTA IV" 10 Dollar, das derzeit neu für Xbox 360 für 37 Dollar verkauft und zum Absatzstart 60 Dollar gekostet hat.
Bei den GameStop-Investoren scheint trotzdem bereits so etwas wie Panik auszubrechen. Die Aktie des Konzerns fiel am Donnerstag nach Bekanntgabe der neuen Amazon-Strategie um teilweise 14 Prozent. Analysten fürchten, dass dem Gebrauchtspielekönig Kunden abgenommen werden könnten. Bereits jetzt macht dieser 25 Prozent seines Umsatzes durch Ankauf und Verkauf gebrauchter Titel; die Krise hatte GameStop finanziell Auftrieb und seiner Aktie trotz starker Fluktuationen ein Plus von 26 Prozent seit Anfang 2009 beschert.
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