Compliance-Vorwürfe in Marzahn: Auf den Spuren des Sandmanns
Beim Senatsbeauftragten für Russlanddeutsche, Walter Gauks (CDU), tun sich neue Fragen auf. Grüne und Linke fordern, dass er sein Amt ruhen lässt.
Die taz hatte berichtet, dass der 40-jährige Gauks, der als Funktionär in der CDU, in der russlanddeutschen Landsmannschaft und im Verein Lyra Marzahn tätig ist, auch als Minijobber für den CDU-Bundestagsabgeordneten Mario Czaja arbeitet und im Wahlkreisbüro seiner Frau, der CDU-Landesparlamentarierin Olga Gauks, mitmischt. Die zahlreichen Ämter sind nicht sauber von der Senatsarbeit getrennt. Am Dienstag hat Gauks mitgeteilt, seine Nebenbeschäftigung bei Czaja zum Monatsende aufzugeben. Die Senatsverwaltung für Integration, wo seine Beauftragtenstelle angesiedelt ist, begrüßte die Entscheidung. Der Opposition im Abgeordnetenhaus reicht das nicht.
Dort schließt sich der Linkspartei-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg der Forderung der Grünen Jarasch an. Er verlangt zudem, zwei weitere Stellen im Senat, die zum Amt des Russlanddeutschen-Beauftragten gehören, „so lange nicht zu besetzen, bis die Vorwürfe gegen Walter Gauks aufgeklärt sind. Die Vorwürfe sind ernst.“ Dies gelte, so Schlüsselburg, umso mehr, weil Gauks in der Vergangenheit „eine Strafverfolgung nur gegen Zahlung eines Bußgeldes abwenden konnte“. Das hatte zuerst die taz berichtet.
Der Landeshaushalt sieht vor, dass dem Ansprechpartner für Russlanddeutsche zwei weitere Personalstellen sowie Projektgelder zugeordnet werden, was bislang noch nicht erfolgte. Nach Informationen aus CDU-Kreisen soll das erst passieren, wenn Walter Gauks ein Konzept für die neue Stelle vorlegt, was noch nicht geschehen ist.
Unklarheit zu Studiumabschluss
Es gibt eine weitere Pikanterie in der Personalie: In der Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Integration vom Januar heißt es, Gauks habe „ein Studium der Sozialen Arbeit und Sozialpädagogik“ abgeschlossen. Dass dies nicht stimmt, räumte Gauks gegenüber seiner Arbeitgeberin, Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), erst ein, als die taz dort nachfragte. Der Sprecher ihrer Senatsverwaltung, Stefan Strauß, teilte der taz dazu mit: „Die Formulierung in der Pressemitteilung war leider unpräzise.“ Ob der Fehler durch Gauks selbst oder durch die Pressestelle in das Papier gekommen ist, ließ Strauß offen.
Gauks selber hat die Pressemitteilung allerdings zahlreich in sozialen Medien verbreitet, ohne dort auf den Fehler hinzuweisen. Gauks habe der Senatsverwaltung nach der Rückfrage der taz „mitgeteilt, dass er sein Studium inzwischen beendet hat. Die Zeugnisübergabe (Bachelor) sei im Februar 2024 geplant“, so Sprecher Strauß.
Die Paritätische Akademie in Berlin, an der Gauks nach eigenen Angaben studiert hat, reagierte nicht auf taz-Anfrage. Ein Hochschulabschluss war laut Senatsverwaltung aber keine zwingende Voraussetzung für die Stellenbesetzung. Hört man sich in der SPD um, so ist man dort über die von der CDU gewollte Personalie Gauks nicht erfreut, heißt es zumindest hinter vorgehaltener Hand.
Auch im Bezirk Marzahn-Hellersdorf sorgt die Berichterstattung der taz zu Gauks und seinem Verein Lyra Marzahn für politische Debatten. Für Donnerstag ist eine Sitzung des bezirklichen Integrationsausschusses angesagt, bei dem über die Finanzierung des Bezirkes für Lyra Marzahn und einen weiteren Verein debattiert werden soll. Der Verein soll nach Angaben von Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) 40.000 Euro Zuwendungen vom Bezirk bekommen. Er habe zudem zusätzlich Projektmittel beantragt.
Debatte im Bezirksparlament
Die Bürgermeisterin hatte allerdings vergessen, die Bezirksverordneten über diese Entscheidung abstimmen zu lassen, was nun am Donnerstag nachgeholt wird. Wegen der Debatten nach dem taz-Bericht wird das kein Selbstläufer. Björn Tielebein von den Linken sagt der taz: „Ich habe Fragen zur Förderfähigkeit des Vereins angesichts seiner Vergangenheit sowie zur Trennung zwischen Verein und CDU.“ Auch SPD und Grüne in der Bezirksverordnetenversammlung haben Fragebedarf.
Gauks’ Verein Lyra spielte auch eine unrühmliche Rolle bei der Geschichte um ein Sandmanndenkmal im Ortsteil Mahlsdorf: Mitte März 2023 wurde auf dem dortigen Ullrichplatz die rund 1,20 Meter hohe Bronzefigur feierlich eingeweiht. Das Sandmännchen wird seit 1959 im Fernsehen ausgestrahlt, zuerst im Fernsehen der DDR, heute in RBB, MDR und Kika. Anwohner aus dem Ortsteil, aus dem der Sandmann-Schöpfer Gerhard Behrendt stammt, waren ebenso gekommen wie CDU-Prominenz: Kai Wegner, der eineinhalb Monate später zum Regierenden Bürgermeister gewählt wurde, und die Mahlsdorfer Wahlkreisabgeordnete Katharina Günther-Wünsch, die schon damals als Bildungssenatorin gehandelt wurde und heute Wegners Lebenspartnerin ist.
Stark gemacht für die Skulptur hatte sich eine lokale Bürgerinitiative mit dem CDU-Mitglied Michael Wiedemann, die Spenden einsammelte. Und da sich für dieses Sammeln ein gemeinnütziger Verein gut macht, kam man auf die Idee, ein Konto von Walter Gauks' Verein Lyra Marzahn zu nutzen. Die Spenden wurden, so Wiedemann gegenüber der taz, nicht nur für die Sandmannskulptur selbst gebraucht, sondern auch für die Versicherung für das Denkmal bis 2028.
Mailverkehr zu Konto
Als Wiedemann um den Jahreswechsel auf das Konto schaute, muss ihm aber aufgefallen sein, dass dort mehr als 2.600 Euro fehlten. Das geht aus einer Mail von ihm an Gauks hervor, die der taz vorliegt. Dort zählt er Beträge auf, die zwischen August und Dezember 2023 abgehoben wurden, etwa an das ZDF, den russischsprachigen Berliner Hörfunksender Radio Golos, eine Druckerei im Brandenburgischen und schließlich 50 Euro an einen märkischen Landkreis. Er fordert Gauks auf, das Konto bis zum 12. Januar auszugleichen. Gauks’ Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Bitte um etwas Entspannung“, schreibt er. „Der Monat Januar ist der Monat, an dem die Fördermittel Stück für Stück ankommen.“
Von der taz mit dem Mailverkehr konfrontiert, bestätigen weder Gauks noch Wiedemann den Vorgang. Gauks schreibt: „Ihre Informationen sind falsch. Alle Einnahmen und Ausgaben mit dem Projekt Sandmann sind abgerechnet.“ Finanzen für die Versicherung stünden zur Verfügung. Die Frage, ob tatsächlich öffentliche Fördermittel für die Schuldentilgung verwendet wurden, was rechtswidrig wäre, lässt Gauks unbeantwortet. Wiedemann erklärt der taz am 7. Februar: „Auf dem Spendenkonto fehlt per heute kein Cent.“ Die Frage, ob das im Januar anders war, beantwortet er nicht.
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