piwik no script img

Comickünstler über Workshop in Bremen„Was Farbe im Comic vermag“

Tiefe und Nuance erzielen per Aquarell-Technik: Der Graphic-Novel-Künstler Gaspard Njock kommt für einen Workshop ans Bremer Institut Français.

In „Comment faire l'amour avec un n-word…“ thematisiert Gaspard Njock Rassismus Foto: Gaspard Njock
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Dass Sie eine Verwandtschaft von Oper und Comic behaupten – meinen Sie das Ernst, Monsieur Njock?

Gaspard Njock: Aber ja! Ich bin ja nicht nur Comic-Künstler, sondern arbeite als Musikwissenschaftler an der Sorbonne, wo ich die Beziehungen von klanglichen und visuellen Elementen in Wagner-Opern erforsche. Dabei, aber auch schon zuvor, in meiner Master-Arbeit, habe ich Ähnlichkeiten der gattungsspezifischen Strukturen entdeckt.

Nämlich?

Die Frage des Rhythmus der Erzählung und der Bilder hat im Comic dieselbe Funktion wie in der Oper. Oder die Farbe, der in der Musik die Instrumentierung entspricht: Das Timbre dient in der Oper der Charakterisierung von Personen und dazu, die Spannung innerhalb der Handlung zu modellieren. Das zeigt, was Farbe im Comic vermag. Sie ist nicht nur ein Schmuck, sondern hat eine erzählerische Funktion. Das diskutiere ich auch in meinem Comic über die Kindheit der Sängerin Maria Callas.

Lustigerweise kommt die Oper gerade bei Klassikern der ligne claire in den Blick, in der Karikatur der Sopran-Diva in Hergés „Tim und Struppi“; oder bei Edgar P. Jacobs, der Comics selbst als „Papieropern“ bezeichnet hat. Diesen Autoren galt Kolorieren aber als niedere Arbeit. Und Ihnen wäre jetzt Farbe im Gesamtkunstwerk Comic wichtiger als die Linie?

Gaspard Njock
Im Interview: Gaspard Njock

geboren 1985 in Douala, Kamerun. Der Künstler hat Comic an der Scuola Romana dei Fumetti und Theaterwissenschaften an der Università La Sapienza in Rom studiert und ist derzeit Promovend am Institut de Recherche Musicale der Sorbonne, Paris. Bisher hat er die Comics „Aldo Manuzio“ (2015, Italienisch), „Un voyage sans retour“ (2018), „La Callas, enfance d'une diva“ (2020) und zuletzt „Comment faire l'amour avec un n-word lorsqu'on est fatigué“ (2021) veröffentlicht. Er lebt in Paris.

Es kann keine Hierarchie der Elemente geben, die zusammen die Sprache einer Kunstform bilden. Ein Künstler muss für sich erkennen, welchen Hebel er für seine Zwecke am sinnvollsten betätigt. Es gibt Autor*innen, bei denen die Linie eine grundlegende Funktion für ihre Ästhetik hat. Bei mir variiert das je nach Thema. Bei „Un Voyage sans retour“ habe ich einen sehr impulsiven Strich genutzt, die Farbgebung ist dagegen sehr viel ausgefeilter, als im Callas-Buch.

Sie bevorzugen Aquarelltechniken.

Das stimmt. Das Aquarell erlaubt, intuitiver zu arbeiten. Das ist eine Technik, die man nicht zu 100 Prozent kontrollieren kann. Diesen Überraschungseffekt liebe ich, dass sich ungeplante Konturen bilden.

Ist das Aquarell eine Antwort auf die Tendenz zum rassistischen Stereotyp, die der ligne claire innewohnt und deren Meisterwerke prägt?

Es ist wahr, dass die ligne claire eine Kolorierung ohne Zwischentöne begünstigt. Ich nutze diese Technik gelegentlich, allerdings selten. Auch, weil ich aus der italienischen Schule komme, aber vor allem, weil ich es mag, mir die Hände schmutzig zu machen, und weil es ein so schön altmodisch ist Das Papier anzufassen, die vielen Farben, diese sinnliche Seite, die liebe ich.

Sie leben in Paris, Sie behandeln die Diva Callas oder den Renaissance-Buchdrucker Aldo Manuzio: Das sind sehr europäische Stoffe. Fühlen Sie sich wohl im Rahmen einer Ausstellung zu „Comics aus Afrika“?

Wichtige Frage. Wenn du Autor und Afrikaner bist, wirst du sehr oft zu Inhalt deiner Arbeiten befragt. Man ist total erstaunt, dass ich mich für eine so italienische Figur wie Manuzio interessiere, den Erfinder des Taschenbuchs. Dabei bin ich ja in Rom ausgebildet worden und mache Bücher: Natürlich liegt mir diese Geschichte am Herzen! Andererseits habe ich mit „Un voyage sans retour“ einen Comic geschrieben, der von Migration handelt, – einem Thema, das Afrika betrifft, aber ebenso Europa.

Malik, die Hauptfigur, ist in Douala aufgewachsen, überlebt das Mittelmeer, landet in Lampedusa.

Der Workshop

Aquarell Comic-Workshop im Rahmen der Ausstellung „Kubuni. Comics aus Afrika“: Do, 1. Dezember, 16 Uhr, Bremen, Institut Français, Contrescarpe 19. Keine Vorkenntnisse nötig (aber eine Anmeldung unter kultur.bremen@institutfrancais.de)

Allerdings beschäftige ich mich in letzter Zeit mehr und mehr mit den afrikanischen Realitäten, zumal in Kamerun. Und ja, es stimmt: Da gibt es Schönheiten zu erkunden, Kulturen. Der Comic kann diese vielleicht besser als andere Medien transportieren. In meinen künftigen Arbeiten wird es Einblicke in die Art, in Afrika zu leben geben. Es ist wichtig, diesen Kontinent in einer Weise erzählen, von der noch niemand etwas ahnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das Interview ist von nicht sehr viel Sachkenntnis geprägt.



    In den Zeiten der Ligne-Claire-Klassiker erfolgte die Kolorierung von Comics nicht durch die Zeichner, sondern war ein Arbeitsgang der Druckvorlagenherstellung. Die Zeichner machten Vorgaben, wie sie es gerne hätten, und die Koloristen trugen die Farben dann so auf, daß die gedruckte Version den Vorstellungen der Zeichner entsprach.



    Wer mal so eine Vorlage gesehen hat, wird erkennen, daß die Kolorierung deutlich greller ist als das fertige Druckwerk.



    Erst seit sich die Reproduktionstechniken verbessert haben, kolorieren die Zeichner selbst. Gerade in Frankreich erschienen viele Werke unter dem Motto "Couleur directe".



    Wobei es immer noch Spezialisten gab und gibt, die teilweise langjährige Zusammenarbeiten mit Zeichnern vorzuweisen haben.

    PS:



    Edgar P. Jacobs war selbst ausgebildeter Opernsänger.