Comic aus Israel: Zeichnungen aus dem Krisengebiet
Die Comicszene in Israel ist klein und Rutu Modan eine ihrer wichtigsten Vertreterinnen. Nun gibt es "Blutspuren" auf Deutsch
Rutu Modan beschreibt die Lage der israelischen Comicszene in einem Interview so: "Tatsächlich gibt es keine Comicbranche in Israel; keine Comicverleger oder -vertriebe, keine Cartoons in den Wochenendausgaben der Zeitungen, nicht einmal Übersetzungen von Superman- und Batman-Comics." Auch die Versuche, "Tim und Struppi" oder "Tex" in hebräischen Fassungen herauszugeben, seien kommerziell fehlgeschlagen. Also ließ man es schon vor Jahren sein.
Immerhin gab es eine israelische Ausgabe des MAD-Magazins und Rutu Modan war eine der Mitherausgeberinnen. Modan gründete mit anderen schließlich das Comic-Kollektiv Actus Tragicus. Sie veröffentlichte in Anthologien und illustrierte Kinderbücher, bis sie sich an die Produktion einer längeren Erzählung wagte.
Diese liegt nun unter dem Titel "Blutspuren" auf Deutsch vor. Mit kühlem Understatement im Stil der franko-belgischen Tradition ist die Geschichte gezeichnet, zurückhaltend und klar konturiert coloriert. Eine junge Frau, Numi, hat gerade ihre Armeeausbildung beendet und sucht nach ihrem vermeintlich bei einem Bombenattentat getöteten Liebhaber. Dabei findet sie heraus, dass der Liebhaber der Vater des Taxifahrers Kobi ist und überzeugt diesen, sie bei ihrer Suche zu unterstützen. Die beiden nähern sich langsam an, doch es kommt immer wieder zu Unstimmigkeiten.
In kritischen Situationen neigen sowohl Numi als auch Kobi dazu, sich durch strategischen Rückzug von ihrem Gegenüber und der Welt abzuschotten. Die Reise der beiden Hauptfiguren zueinander - initiiert durch die Suche nach einer für beide wichtigen und sich ihnen entziehenden Person - ist letztlich eine Reise zu sich selbst.
Sie zeigt aber auch die Konsequenzen eines Lebens mit einer ständig latent im Alltag vorhandenen Bedrohung. Deren Unfassbarkeit verstärkt die Tendenz, eine rationale Auseinandersetzung mit den Ursachen zu vermeiden - Verdrängung als Überlebensstrategie auch im individuellen Bereich.
"Blutspuren" ist eine Geschichte vom Verlassen- und Alleingelassenwerden, die gelegentlich von einem Humor der Verzweiflung durchsetzt ist.
Im zweiten Kapitel mit dem Titel "Meine Reise mit der Giraffe", in einer Szene im pathologischen Institut, diskutieren zwei Gerichtsmediziner, was sie zu Mittag essen sollen, während sie Leichen sezieren. Ein Mann, der nach einem verstorbenen Angehörigen sucht und am Empfang über Videokamera zusieht, fragt nach der erfolgreichen Identifizierung, ob er eine Kopie des Videos für seine Eltern mitnehmen könne.
Bleibt zu sagen, dass das erzählerische Gewicht hier klar auf die private und persönliche Erfahrungswelt der Protagonisten gelegt wird und nicht die dabei eventuell zu erwartende politische Erörterung des Nahostkonfliktes in den Mittelpunkt rückt. Über die Urheber der Attentate verliert Modan kein Wort; eine Zuschreibung und Personifizierung findet zu keinem Zeitpunkt statt. Doch gerade dadurch wird das ganz normale Leben unter solch angespannten Bedingungen für den Leser erfahrbar - zumindest aus israelischer Sicht .
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!