Comic-Superheld „Venom“ im Kino: Das Ding in dir
Venom ist kein Held – seine Kräfte gehören einem Parasiten in seinem Körper. Der Film hätte mit dieser Spaltung spielen können, tut er aber nicht.
„Venom“ – das englische Wort kommt vom Lateinischen venenum, also Gift. Spezifischer als das verbreitetere poison bezeichnet es in der Regel ein tierisches Sekret, das durch Biss übertragen wird. Während man ein stinknormales Gift in den Kaffee träufeln oder anderweitig diskret verabreichen kann, ist bei venom etwas dezidiert Aktives im Spiel.
Der Held oder Antiheld der gleichnamigen Marvel-Comicreihe, deren Verfilmung unter der Regie Ruben Fleischers jetzt im Kino anläuft, heißt mit gutem Grund so. Denn Venom trägt einen Parasiten in sich, der aggressiv in die Körper seiner Wirte eindringt und, einmal dort angekommen, recht bissig werden kann. Vor allem hat dieser Parasit ein eigenes Bewusstsein, kann sprechen, weiß, was er will, und die Gedanken seiner Wirte lesen kann er auch. Ein „pain in the ass“ mithin.
Zunächst einmal erfährt man im Film „Venom“ aber, wie der Wirt, der Investigativjournalist Eddie Brock (maskulin verpeilt: Tom Hardy), zu seinem Gast kommt. Brock soll für seinen TV-Sender ein Interview mit Carlton Drake, dem Kopf der ominösen „Life Foundation“, führen (juvenil smart: Riz Ahmed). Brock weigert sich erst, muss sich dem Drängen seines Chefs jedoch fügen. Dann stellt er Drake so unangenehme Fragen über dessen mutmaßliche Menschenversuche, dass das Interview vorzeitig beendet wird.
Brock verliert seinen Job. Seiner Verlobten, der Anwältin Anne Weying (tough: Michelle Williams), auf deren Laptop er kompromittierende Dateien über ihren – Zufall! – Mandanten Drake gefunden hatte, wird ebenfalls gekündigt. Und sie kündigt Brock ihrerseits die Verlobung auf.
Dann wendet sich eine Wissenschaftlerin aus Drakes Team an Brock, um ihn auf die kriminellen Experimente der Life Foundation aufmerksam zu machen. Was ihm Zutritt zu dem Unternehmen verschafft. Das Forschungslabor verlässt Brock danach nicht allein: Der Parasit, ein gallertartiger Alien, „Symbiont“ genannt, hat in ihm einen Wirt gefunden. Wie dieser Alien auf die Erde gefunden hat, tut an dieser Stelle nichts zur Sache.
Freude kommt da nicht auf
„Venom“ erzählt von einem Superhelden, der nicht bloß eine Fähigkeit hat, die jenseits seiner Kontrolle liegt, wie etwa beim grünen Muskelberg Hulk, der seine Wut in potenzierte Raserei umwandelt. Die Superkraft von Venom ist streng genommen gar nicht seine eigene. In ihm ist ein mit großer Kraft und hervorragenden Schutzmechanismen ausgestatteter „Anderer“ am Werk. Und dieses Wesen spricht mit ihm.
„Venom“. Regie: Ruben Fleischer. Mit Tom Hardy, Michelle Williams u. a. USA 2018, 112 Min.
„Venom“ schildert so die psychotische Situation eines Menschen, der eine Stimme hört. Die anderen Menschen hören sie nicht, dafür das Publikum. Was nicht nur von Vorteil ist. Denn die digital verzerrte Stimme ist ein tiefes Grunzen, das bedrohlich klingen soll, zugleich aber eine alberne Komik hat. Bloß dass das Wesen, zu dem diese Laute gehören und das sich manchmal wie eine schwarze Schleimschicht über den Körper von Brock legt, alles andere als lustig ist.
Venom hat ein Riesengebiss aus Haifischzähnen und großen Appetit. Dass er mit seinem Wirt die eine oder andere kontroverse Auseinandersetzung hat, soll für weiteren Witz sorgen. Und der mit der Situation sichtlich überforderte Brock wird von Tom Hardy einigermaßen schlagfertig gegeben. Was aber nichts an der grundlegenden Asymmetrie zu seiner Ko-Figur ändert. Venom ist angriffslustig und nimmt Menschen im Zweifel als bloße Hindernisse wahr. Die dann entsprechend behandelt werden. Echte Freude kommt da nicht auf.
Am interessantesten an „Venom“ ist seine Idee der Symbiose von zwei grundverschiedenen Lebewesen. Theoretisch jedenfalls. Daraus hätte der Film einen Konflikt konstruieren können, der den Gegensatz zwischen dem einnehmend abgerissenen Brock und dem Monster in ihm herausgearbeitet hätte. Ein schönes Motiv ist auch, wie sich die Körpergrenzen zwischen Brock und seinem Gast verflüssigen, was für modulare Erweiterungen aller Arten sorgt, mit fließendem Übergang zum Körperhorror.
Fleischer hat hingegen eine familienfreundliche Variante gewählt, mit vorwiegend unblutiger, gleichwohl brutaler Gewalt. Im Ergebnis hat man eine weichgekochte Geschichte über einen moralisch stark ambivalenten Superhelden, die ihren „harten“ Kern nicht so ganz wahrhaben will. Und mit Tom Hardy und Michelle Williams gibt es zwei einnehmende Hauptdarsteller, die gleichwohl ein bisschen wie im falschen Film wirken. Was erst recht für den höflich-nerdigen Riz Ahmed gilt. Dessen Schurken Drake nimmt man ihm nicht ernstlich ab und fragt sich zugleich, ob die Besetzung der Rolle mit einem pakistanischstämmigen Darsteller als Böser am Ende rassistische Klischees bedient. Da wurden einige Chancen vertan.
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