Comedian über Krisen-Humor: „Positives gegen die Klimakrise“
Ja, wir dürfen über die Erderhitzung lachen, sagt Poetry-Slammer Sebastian Rabsahl. Als Sebastian 23 zieht er am liebsten Absurdes aus der Realität.
taz: Erzählen Sie mal einen Witz übers Klima, Sebastian 23!
Sebastian 23: Ich greife gern Geschichten auf, die ihren Humor aus der Absurdität der Realität ziehen. Ex-Bild-Chef Julian Reichelt hat während der Energiekrise zum Beispiel mal gesagt, weil Strom jetzt zehnmal mehr kostet, müsste der Metzger eigentlich auch den Wurstpreis verzehnfachen. Logisch, Wurst besteht ja – wie wir alle wissen – komplett aus Strom. Darum ist Salami auch vegan. Oder als Jens Spahn im Januar 2023 bei Markus Lanz in der Talkshow saß und ganz trocken meinte, die CDU sei die wahre Klimaschutzpartei. Das sind so völlig absurde Behauptungen, da kann ich mir das Lachen nicht verkneifen.
ist Poetry-Slammer und Autor aus Bochum. Im Netz ist er als „Sebastian 23“ unterwegs. Sein neues Buch, „Alles wird gut – die Welt retten in 5712 einfachen Schritten“, ist im März erschienen.
Darf man denn über die Klimakrise lachen?
Ja. Humor ist für mich ein wichtiger Faktor im Umgang auch mit Krisen. Auf der einen Seite, um nicht zu verzweifeln. Wir brauchen das zur Verarbeitung der Realität. Auf der anderen Seite bringt uns gemeinsames Lachen auf Augenhöhe. Dadurch bin ich kein Oberlehrer mehr, der etwas über die Klimakrise erklärt. Wenn wir gemeinsam lachen, dann ist eben auch ein Austausch möglich.
Ist es schwierig, zu ernsthaften Themen gute Pointen zu finden?
Überhaupt nicht. Man kann sehr ernste Dinge trotzdem auch humorvoll kommunizieren. Die Beispiele, die ich gerade genannt habe, sind von allein schon so absurd, dass man denkt: Oh, da brauche ich jetzt nicht mehr viel an Gag draus zu basteln.
Manchmal klingen Nachrichten selbst wie Satire. Zum Beispiel, wenn Saudi-Arabien den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission übernimmt …
… oder der Iran der Menschenrechtskommission vorsteht. Nicht zu vergessen: der letzte Klimagipfel in den Emiraten, der vom Chef eines Ölkonzerns geleitet wurde. Ein Running Gag!
Braucht man angesichts solcher Meldungen noch Comedy?
Das ist eine gute Frage. Allerdings darf man sie gewiss nicht unkommentiert lassen. Viele dieser Vorgänge leben nur davon, dass sie genug Leuten nicht bewusst sind. Es ist ja so: Die meisten Menschen wollen, dass wir etwas gegen die Klimakrise unternehmen, uns für Gerechtigkeit einsetzen, auch auf feministischer Ebene.
Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Künstler?
Mir ist wichtig zu zeigen: Man kann immer etwas bewegen – und es lohnt sich auf jeden Fall, es auszuprobieren. Ich versuche, durch Unterhaltung auf Bühnen und in Büchern zur Aufklärung beizutragen. Und in den sozialen Medien, wo ich Nachrichten auf satirische Art und Weise aufbereite – und damit eben auch zugänglich mache.
Ihr neues Buch, „Alles wird gut“, dreht sich um Zuversicht in Krisenzeiten. Woher nehmen Sie den Optimismus?
Da möchte ich gern den US-amerikanischen Umweltschützer Paul Hawken zitieren: „Wenn ich gefragt werde, ob ich pessimistisch oder optimistisch in die Zukunft blicke, ist meine Antwort immer die gleiche. Wenn man sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber ansieht, was auf der Erde geschieht und nicht pessimistisch ist, versteht man die Daten nicht. Aber wenn man die Menschen trifft, die daran arbeiten, diese Erde und das Leben der Armen wiederherzustellen, und man ist nicht optimistisch, dann hat man keinen Puls.“ Das kann ich genauso für mich unterschreiben. Hoffnung gibt mir vor allem der Kontakt zu engagierten Menschen, die versuchen, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und die trifft man in allen Bereichen und mit so krass viel Bereitschaft, kontinuierlich gegen Widerstände zu kämpfen! Ich bin außerdem in der privilegierten Situation, in einer Demokratie zu leben und mich einsetzen zu können, ohne gleich in einem sibirischen Knast zu landen. Dann muss ich das wohl tun. Auch das stimmt mich natürlich optimistisch.
Erleben Sie auch Momente, wo Ihnen die Rolle als Entertainer schwerfällt?
Die Räumung von Lützerath für den Kohletagebau hat mich sehr bewegt. Ich komme aus Bochum, nur eine gute Dreiviertelstunde vom Rand der Grube entfernt. Dass das Dorf trotz des massiven Widerstands im Januar 2023 geräumt und abgerissen wurde, war erst mal ein herber Rückschlag. Ich habe eine Weile gebraucht, um – bildlich gesprochen – wieder aus dem Loch rauszukommen. Im Nachgang hat es mich aber noch mehr bestärkt und motiviert, was da passiert ist.
Warum?
In Lützerath gab es Leute, die versucht haben, diesen Ort mit einer gelebten Utopie zu füllen. Direkt an der Abrisskante konnte man sich umdrehen – und auf der anderen Seite hast du Menschen gesehen, die fröhlich entschlossen und hoffnungsvoll gesagt haben: Nee, wir machen das nicht mit. Wir setzen der Zerstörung etwas Positives entgegen.
Utopien spielen eine Rolle für Sie, sich die Hoffnung zu bewahren?
Vieles von dem, was wir für utopisch halten, passiert ja längst. Es gibt Städte wie Paris oder Kopenhagen, in denen die Menschen glücklicher sind, weil es viel weniger Autos gibt – und wo sie merken: Krass, jetzt haben wir hier mehr Raum für uns. Das zeigt, dass Veränderung auf struktureller Ebene möglich ist. Glücklicherweise muss niemand im Alleingang den Planeten retten, rituell sein Auto verbrennen und sofort vegan werden. Wir dürfen sogar in den Urlaub fahren und trotzdem etwas gegen die Klimakrise tun.
Sie schreiben von „5712 einfachen Schritten“ zur Weltrettung. Welche sollten wir zuerst gehen?
Ganz so viele sind es doch nicht. Der erste Schritt ist, sich zu informieren, wie die Lage eigentlich ist. Es gibt unzählige Menschen, die den Zustand der Klimakrise kommunizieren, oder die versuchen, den freidrehenden Turbokapitalismus zu entlarven. Als Zweites gucke ich, welches Thema mich bewegt: Was kann ich machen, das mir auch Spaß macht? Wo kann ich etwas beitragen? Das könnte im aktivistischen Bereich sein, indem ich Demos organisiere oder daran teilnehme – oder, wenn ich im Privaten aufkläre, mich in der Politik engagiere oder in der Firma. Schritt drei: Bildet Banden! Vielleicht gibt es nicht auf jeder Hallig in der Nordsee eine „Fridays for Future“-Ortsgruppe oder einen Verein, der sich für Feminismus einsetzt. Aber überall tun sich längst Menschen zusammen.
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