Comeback von Boxer Mike Tyson: Schaukampf der Senioren
Am Samstag steigt der 54-jährige Mike Tyson wieder in den Ring. Der Kampf des Ex-Schwergewichtsweltmeisters soll dem US-Profiboxen helfen.
So richtig zufrieden sind die Herren nicht. Sie ärgern sich über die Modalitäten ihres Boxkampfs. Mike Tyson, 54, sagt: „Die werden schon ihre Gründe haben. Aber Sie wissen, Frauen kämpfen über zwei Minuten.“ Und Roy Jones Jr., 51, äußert sich ähnlich: „Ich bin damit nicht glücklich. Das ist was für Frauen. Warum gehen wir nur über zwei Minuten?“
Am 28. November steigen die beiden Ex-Weltmeister im Staples Center in Los Angeles in den Ring. Ein Schaukampf über acht Runden, doch anders als sonst im Männerboxen dauern diese Runden jeweils nur zwei Minuten. Angeordnet hat dies die California State Athletic Commission, und die begründet es mit der zu schützenden Gesundheit der Boxer. Andy Foster von der Kommission sagte: „Sie können hart sparren, aber sie sollten keinen Knockout anstreben!“ Der Kampf sei nur unter Auflagen genehmigt worden: „Verletzt sich jemand, ist das Ganze vorbei!“
Das sehen nicht nur Tyson und Jones Jr. ganz anders. Schließlich wird der Kampf medial in den USA groß vermarktet, und auch in anderen Ländern soll er Kasse bringen. Das soll dem US-Profiboxen helfen, das schon seit vielen Jahren schwächelt. Ob es auch den Boxern hilft, ist unklar. Mike Tyson hat angekündigt, er wolle seine Einnahmen einem wohltätigen Zweck spenden. Von Roy Jones Jr. war so etwas noch nicht zu hören.
Nun werden also die zwei Alten, die zumindest aus Sicht von Promotern, Fernsehanstalten und Managern für eine goldene Zeit des Profiboxens stehen, noch einmal in den Ring geschoben. Sie sollen das zeigen, was sie früher so berühmt machte. Im Falle von Tyson heißt das: den Gegner ausknocken. Entgegen der Auflagen.
Unglaublicher Punch
Im November 1986 war Mike Tyson Schwergewichtsweltmeister geworden, das war vor 34 Jahren. Damals war er 21, berüchtigt für seinen unglaublichen Punch. Bei kaum einem Kampf musste er über die Runden gehen, meist war nach wenigen Minuten Schluss. Eine Änderung deutete sich an, als Tyson zum ersten Mal in seinem Leben einen WM-Kampf verlor: 1990 wurde er vom deutlich schlechter eingeschätzten James „Buster“ Douglas in Tokio K. o. geschlagen. Das war das Ende der „Ära Tyson“, zumindest der heroischen Phase dieser Ära. Es folgte unter anderem einer der größten Skandalkämpfe der Boxgeschichte. Im WM-Kampf gegen Evander Holyfield 1997 überkam Tyson die Panik, er fand kein Mittel, irgendwie noch zu gewinnen – und biss seinem Gegner das Ohr ab.
Spätestens dann war Schluss mit dem Image des Weltklasseboxers. Geblieben war das des „bösesten Mannes auf dem Planeten“, das ihm Promoter Don King angeheftet hatte. Seine letzten Profikämpfe verlor er 2004 und 2005 gegen Kämpfer, die nur Insidern kennen: Danny Williams und Kevin McBride.
Im Vergleich liest sich die boxerische Vita von Roy Jones Jr. beinah bieder: Der Amerikaner, der seit 2015 von Wladimir Putin persönlich die russische Staatsbürgerschaft verliehen bekam, war Weltmeister in vier Gewichtsklassen: Mittel-, Supermittel-, Halbschwer- und Schwergewicht. Um die Jahrhundertwende galt er in der Fachwelt als bester Boxer der Welt, unabhängig von der Gewichtsklasse. Allerdings ging er einigen großen Boxern aus dem Weg – auch den damals erfolgreichen deutschen Halbschwergewichtlern Henry Maske, Dariusz Michalczewski und Graciano Rocchigiani. Anders als Tyson blieb Jones Jr. immer boxerisch aktiv. Sogar Weltmeister wurde er vor drei Jahren noch einmal: Er gewann den Cruisergewichts-Titel des nicht gerade renommierten Verbandes WBF.
Das könnte im Jahr 2020 für Mike Tyson genügen, vermutet David Haye, früherer Gegner von Jones Jr., in einer Analyse für den Onlinedienst boxingnews24.com: „Er war dort, hat gearbeitet – und war im Spiel.“ Tyson hingegen hat seit 15 Jahren nicht mehr ernsthaft trainiert und keine Kämpfe mehr bestritten.
Lediglich eine Besonderheit seines Schaffens der vergangenen Jahre kann er in den Kampf einbringen: Beim Dopingtest wird nicht auf Marihuana getestet, wie der Onlinedienst BoxingScene.com herausfand. Als Grund gilt, dass der Ex-Boxer mit einigem wirtschaftlichen Erfolg auf seiner „Tyson Ranch“ Marihuana anbaut – und wohl nicht nur zu Werbezwecken ab und an raucht.
Ob diese Vorbereitung für einen Kampf genügt, von dem die Hauptakteure doch beteuern, er sei ernst zu nehmen, glauben nicht allzu viele Leute. George Foreman, auch ein Ex-Schwergewichts-Weltmeister, warnt Tyson auf yahoo.sport: „Ich vergleiche es mit einem Mann, der mit einem Boot zur See fahren will. Alles sieht schön und friedlich aus, also will er raus und es einfach tun. Doch dann kommen die hohen Wellen, die See ist rau, es regnet, der Wind weht und er fragt sich: ‚Mein Gott, was habe ich da getan?‘“
Foreman weiß, wovon er spricht: Mit 28 Jahren hatte er seine Karriere beendet, mit 45 ein Comeback, bei dem er prompt wieder Weltmeister wurde. Mit 48 trat er dann wieder zurück, um im Alter von 55 für ein erneutes Comeback zu trainieren. Als er aber seiner Frau davon erzählte, sagte die ihm einfach: „Du wirst nicht wieder boxen.“ Das war es dann.
Ähnlich wie Jones Jr. und anders als Tyson hatte Foreman damals immerhin schon trainiert. Tysons Rückkehr hält Foreman für „temporären Wahnsinn“. Was dieser Kampf letztlich bringt, weiß der Himmel und zeigt Sky.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?