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Comeback alternativer KonsumstileHip statt Hippie

Tauschen, teilen, handeln, verschenken: Gegen den Ausverkauf der begrenzten Ressourcen helfen alternative Konsumstile in echten wie in virtuellen Netzwerken.

Geboren, um zu teilen: Affen. Bild: dpa

Tauschringe, Erzeugergemeinschaften, Car-Sharing und eine globale Netzgemeinde, die tauscht, teilt, handelt, verschenkt und neue Techniken der Gemeinsamkeit als selbstverständlichen Lebensstil praktiziert: Alternative Konsum- und Produktionsstile erleben ein Comeback. Hip statt Hippie! Vorerst in einer kleinen, überschaubaren Community. Und doch: Wird der Mainstream folgen?

Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind gewaltig: Klimakrise, Peak-Oil, Erschöpfung wichtiger Rohstoffe und das Verschwinden von Tieren und Pflanzen führen drastisch vor Augen, dass unser Hyperkonsum auf Kosten der Zukunft geht. Nachhaltigkeit zählt zwar inzwischen selbst bei Ölkonzernen zur sogenannten Firmenphilosophie. Aber nachhaltig ist unser Wirtschaftssystem deswegen noch lange nicht.

Und offensichtlich glauben viele Menschen auch nicht mehr daran, dass wir alleine mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien, dick gedämmte Wohnhäusern und Elektroautos ein klima- und ressourcenverträgliches Leben hinbekommen. Stattdessen gerät der Lebensstil des schneller, größer, mehr unter Beschuss. Der Bundestag diskutiert Alternativen zu den Wohlstandsindikatoren „Bruttosozialprodukt“ und „Wirtschaftswachstum“.

Marcus Franzen

moderiert die tazlab-Diskussion "Teilen, Tauschen, Schenken". Er ist mit Manfred Kriener Chefredakteur und Initiator des seit 2008 erscheinenden Umweltmagazin zeo2.

Und vor allem treibt das Unwohlsein am zukunftfressenden Konsummodell im Alltag bunte Blüten. Im Transition Town Trieves in der französischen Provinz, wo eine ganze Stadt erfolgreich andere Konsummuster erprobt; bei Kleinstbanken, die sich von den Aktienmärkten fern halten; in verschworenen Gemeinschaften von Großstädtern und Landwirten, auf Verschenk-Märkten in Berliner Bezirken.

Collaborative Consumption

Woher kommt plötzlich diese neue Kultur des Miteinander-Teilens? Für die amerikanische Sozialwissenschaftlerin Rachel Botsman ist das quasi in unserem Genen angelegt. Die Frontfrau des „Collaborative Consumption“ sagt: „Wir sind Affen, wir wurden geboren und sind aufgewachsen, um zu teilen und zu kooperieren, wie wir das seit Jahrtausenden gemacht haben.“

Das Umweltmagazin zeo2 hat drei Diskutanten für das tazlab eingeladen, die sich intensiv mit der Abkehr von unseren ressourcenfressenden Konsumwelten beschäftigen: Klaus Wiegandt stand lange an der Spitze des Metro-Konzern, einem der größten Handelsunternehmen des Landes. Heute fragt er: „Besteht Lebensqualität nur aus Konsumfreude?“ Mit seiner Stiftung Forum für Verantwortung will er das ökologische Bewusstsein der Zivilgesellschaft schärfen, „weil die Politik nur aktiv werden kann, wenn ein entsprechender Rückhalt in der Bevölkerung besteht“.

Niko Paech ist im klassischen Weltbild der Ökonomie erzogen worden, jetzt tritt er als streitbarer Ökonomie-Professor für das Ende der herrschenden Konsum- und Wachstumsideologie ein. Ein grundlegendes Umdenken müsse her. „Über seine Verhältnisse zu leben ist keine griechische Spezialität, sondern Ausdruck modernen Dasein“, sagt Paech in einem Beitrag für zeo2. Und zielt damit auf Ressourcenverschwendung und Energievergeudung in der heutigen globalen Wirtschaft.

Doch die Frage bleibt: Erreicht der Wandel den Mainstream? Kora Kristof forscht zu den „Modellen der Veränderung“ und zu den „Erfolgsbedingungen“ der Veränderung. Sie ist überzeugt: „Es ist an der Zeit, sich intensiv mit Veränderungsprozessen zu befassen: Nur wer besser versteht, wie dieser Wandel abläuft, kann die Richtung der Veränderungen auch mit beeinflussen – damit in der Umweltbewegung nicht nur vieles gut gemeint ist, sondern auch gut und erfolgreich gemacht werden kann.“

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6 Kommentare

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  • M
    MuMeStuDie

    Für alle, die diese Idee des Konsums gut finden und gern selbst aktiv werden würden, kann ich nur folgende Seite empfehlen:

     

    www.wir.de

     

    Dabei handelt es sich um ein ein Nachbarschaftsportal das Leihen statt kaufen und die gegenseitige Hilfe in den Mittelpunkt stellt. Das Portal ist ganz jung und frisch und sucht noch nette und hilfsbereite Nachbarn.

  • I
    ion

    @Marcus Franken;

    "(....), dass unser Hyperkonsum auf Kosten der Zukunft geht":

    Keineswegs, die "Zukunft" wird auch ohne 'uns' stattfinden und kostet (spätestens dann) auch (wieder) nix!

     

    "Die Frontfrau (Rachel Botsman) des „Collaborative Consumption“ sagt: „Wir sind Affen, wir wurden geboren und sind aufgewachsen, um zu teilen und zu kooperieren, wie wir das seit Jahrtausenden gemacht haben.“";

    Wie süß(!):

    verzweifelt propagandistisch ersonnener, versucht 'Sinn'-stiftender Determinismus der naivsten, post-christlichen(?) Sorte – wieso läuft's denn dann seit Jahrhunderten, seit Homo oeconomicus & Co. diametral anders?

    So sympathisch Frau Botsman im vid der TEDxSydney vom Mai 2010 rüberkommt, Ihr, nach eigenem bekunden: 'missionarischer' "Aufruf zum kollaborativen Konsum" blendet das weltweit (und derzeit aggressiver als je zuvor) regierende kapitalistische Wirtschaftssystem, die existente, progrediente Ungleichverteilung (von ....) und den damit einhergehenden (wirtschaftspolitischen) Lobbyismus, National-/Ego-ismus, etc. vollkommen aus; Und so lange sich eine 'materiell besser gestellte', indirekt oder unbewußt Welt-regierende Mehrheit, die in bezug auf die Gesamtpopulation dieses Planeten eine echte Minderheit darstellt, diesem Glauben hingibt – die Majorität der 'Anderen' hat (existenziell) de facto sowieso weder eine Wahl, noch tauschfähigen Besitz(!) – werden derlei angedachte Alternativen keinen echten 'impact' im Sinne einer nennenswerten Resourcen-Schonung generieren; Und auf absehbare Zeit wird es mit den real-existierenden, durch-konditionierten Menschlein nie zu dem kommen, was ihrem insofern Wunschdenken entspringt:

    "Weil ich wirklich glaube, dass es altmodische Geschäftsmodelle zerstören kann, uns dabei helfen kann, einen Satz über verschwenderische Formen des Hyper-Konsums zu machen, und uns beibringen kann, wann genug wirklich genug ist.".

    Dem(!) Menschlein, Homo eucharisticus, etc. wird's nie genug (sein (dürfen));

    Und: der, jeder 'Glaube' mag 'Berge versetzen' können, nur: dann sind sie auch weg.

     

    @ elmar (06.03.2012 19:02):

    Wie süß(!):

    "rechtsschreibfehler".

    Sonst noch Rechtschreibfehler bemerkt?

  • S
    Seldon

    Nein Tauschen, teilen, handeln, verschenken und dergleichen alternative Konsumstile helfen nicht gegen den Ausverkauf der begrenzten Ressourcen. Der Ausverkauf findet statt, weil profitorientiert gewirtschaftet (produziert) wird! Nicht die Bedürfnisse der Konsumenten, sondern die zahlungskräftige(!) Nachfrage und Profiterwartungen bestimmen den Resourcenverbrauch in der Produktion.

    Nischen-Ökonomien sind damit bestenfalls nette Beruhigungspillen für das strapazierte Gewissen halbwegs reflektierter Städter, schlimmstenfalls Tummelplatz für obskure Lebensart-Sekten, Esoteriker und rechte Rattenfänger.

    Selbstbestimmte Produktion statt Selbstbeschränkung! Selbstverwaltete Kommunen und selbstorganisiertes Wirtschaften in Genossenschaften ...sowas wäre mal 'ne bedenkenswerte Alternative!

  • E
    elmar

    wir leben in einer retro-welt. alles was einst war wird wieder modern.darum hatte die überschrift einen rechtsschreibfehler:

     

    es hätte HIPP statt hippie heissen müssen. oder zur not auch ALETE!!!

  • WN
    Wolfgang Nowak

    Ein wenig vermisse ich an dem Artikel eine Aussage, die über das eingebrachte "Doch die Frage bleibt: Erreicht der Wandel den Mainstream?" hinausgeht. Die Erwähnung, dass zum Beispiel, passend zum Thema, in der nächsten Woche in Köthen ein Kongress sich mit diesen Themen befasst ( http://www.machtgeldsinn.de/ ), hätte die inhaltliche Relevanz des Textes über Fragezeichengenerierung und modisches Hippiebashing angehoben.

  • MD
    Ma Dalton

    "Hip statt Hippie!"

    Ach du meine Güte... viel bemühter geht's ja kaum noch.