Coldplay mit neuem Album: Mit Konzept zum Kitsch
Coldplay haben sich selbst übertroffen. Ihr neues Album, "Mylo Xyloto", zementiert ihren Status als Stadionrocker mit hohem Heulsusenanteil.
BERLIN taz | Das ist nicht einfach. Nein, ganz und gar nicht. Aber man wird da wohl nicht gefragt. Coldplay jedenfalls sind von der New York Times kürzlich mal wieder zur "biggest band in the world" ernannt worden. Jetzt müssen sie selbst damit klarkommen. "Mylo Xyloto" hat das Quartett seinen neuen Versuch genannt, die Ehre zu rechtfertigen. Oder besser wohl: die Bürde zu tragen.
Tatsächlich ist es ja so, dass Bandleader Chris Martin nicht nur Musik macht und gleichzeitig versucht, Kinder großzuziehen zusammen mit einer Frau, die vielleicht sogar noch berühmter ist als er. Das wär ja schon anstrengend genug. Aber außerdem macht er sich auch noch ständig in aller Öffentlichkeit Gedanken: wie das so ist, berühmt zu sein und 40 Millionen Alben verkauft zu haben, obwohl seine Band gehasst wird wie keine sonst auf der Welt.
Welche Probleme es mit sich bringt, angesichts der Krise im Popgeschäft eine Rockband anzuleiten, die den Aufstieg zu weltumfassendem Startum geschafft hat. Wie man damit umgehen soll, im Pantheon der Rockdinosaurier nun neben U2 oder Bruce Springsteen zu stehen. Und wie man dabei halbwegs auch noch bei Sinnen bleibt.
Coldplay, so scheint es, versuchen es mit zünftiger Gigantomanie. Um "Mylo Xyloto" aufzunehmen, waren nötig: mehr als 18 Monate, ein gutes halbes Dutzend verschiedene, auf dem Erdball verstreute Studios, das so bewährte wie vielköpfige Produzententeam unter dem Spiritus Rector Brian Eno und als Gastsängerin die R&B-Sirene Rihanna.
Ursprünglich erscheinen sollte das Werk bereits im Dezember 2010. Zwischenzeitlich war sogar vorgesehen, zum Album noch einen Animationsfilm in der Tradition von "Yellow Submarine" auf den Markt zu bringen. Das scheiterte an der langen Herstellungsdauer. Geblieben aber ist, neben einigen kurzen, filmmusikähnlichen Zwischenspielen, dass "Mylo Xyloto" über seine ganze Spielzeit eine Geschichte, die Liebe eines Paares in dunklen Zeiten, erzählen soll.
Folgt man Martin, mal inspiriert von der Geschichte der Weißen Rose, mal von der angesagten US-Krimiserie "The Wire". Ein Konzeptalbum also, ganz so wie es einer Monsterband zusteht. Martin spekulierte denn auch schon öffentlich, dieses fünfte Album könnte das letzte seiner Band sein.
Ein Kompromis, der Millionen versorgt
Ebenfalls monströs die ursprüngliche Planung, parallel gleich zwei Alben fertigzustellen, eines akustisch, das andere eher elektronisch. In beiden Fällen hätten Coldplay sich aus eingetretenen Pfaden entfernt, wären ein Wagnis eingegangen. "Mylo Xyloto" aber ist ein Kompromiss, der Millionen von Coldplay-Fans zuerst einmal mit dem bekannten Coldplay-Sound versorgt.
Am offensichtlichsten mit "Hurts Like Heaven", in dem Martins Klavier, die Gitarre von Jonny Buckland und feiste Synthie-Schwaden so lange um uneingeschränkte Aufmerksamkeit konkurrieren, bis jene so typische, dicke Soundkruste entsteht, durch die sich Martins Jammer-Bariton quälen muss, damit er angemessene Leidensbereitschaft entwickelt.
Auch "Paradise" steht in der Tradition von Coldplay-Hits wie "Clocks": Ein ruhiges, akustisches Setting mit einer so schlichten wie berauschenden Melodie stürzt sich in dem Moment, in dem Martin pünktlich zum Refrain in den Falsettgesang wechselt, kopfüber in den Kitsch.
Aufgeplusterte Gitarren-Synthesizer-Kombination
Trotzdem gibt es Versuche, das abgesicherte Klangbild zu erweitern, mit frischen Farben zu versehen. In "Charlie Bown" gelingt es einem Banjo tatsächlich, sich so lange zu behaupten, bis eine Ahnung von keltischem Folk entsteht. "Up In Flames" hat zwar nicht genug Beats per Minute, um es demnächst in einem Club zu schaffen, aber immerhin einen, wieder mal im Falsett gesungenen, schönen Soul-Refrain.
Im modernen R&B kommen Coldplay dann doch noch an mit "Princess of China", einem Duett mit Rihanna: Doch den satt pumpenden Beat und das unüberhörbare Bemühen, sich ein neues Genre anzueignen, konterkarieren sie dann wieder mit einer sich aufplusternden Gitarren-Synthesizer-Kombination.
Denn, und das soll dann wohl sympathisch wirken, die größte Kitschband des Planeten ist vor allem auch: ein Elefant im Porzellanladen. Nein, es ist echt nicht einfach, Coldplay zu sein.
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