piwik no script img

Club-Krise in BerlinSchwuZ macht Schluss

Der älteste queere Club Deutschlands hat sein Ende verkündet. Das SchwuZ war schon länger in finanzieller Not und hatte bereits Insolvenz angemeldet.

Für immer geschlossen: Die Clubtoilette des SchwuZ 2015 Foto: IMAGO / POP-EYE

Von

Anselm Mathieu aus Berlin

taz | Nach 48 Jahren Betrieb hat das SchwuZ seine Schließung bekanntgegeben. „Wir haben alles versucht, doch am Ende hat es nicht gereicht“, schrieb der Club am Donnerstagabend in einem Instagram-Post. Es habe sich auch nach monatelangem Bemühen kein Weg aus der finanziellen Schieflage finden lassen. Am 1. November soll die letzte Party stattfinden: „Ein Abschied, aber auch ein großes Dankeschön“ solle sie sein, so das SchwuZ.

„Mit großer Betroffenheit“ reagiert die Clubcommission Berlin in einer Mitteilung auf die Ankünding der Schließung. Das SchwuZ habe „über Jahrzehnte das queere Nachtleben der Hauptstadt“ geprägt und sei „ein sicherer Ort für Generationen von Menschen aus der LGBTQIA*-Community“ gewesen. Es sei wichtig, die Clubschließungen in Berlin nicht als Einzelfälle zu betrachten und sich bewusst zu machen, dass Berlin mit jeder Schließung „ein Stück seiner Identität“ verliere.

Die Geschichte des SchwuZ ist tief verwoben mit der Westberliner Lesben- und Schwulenbewegung der 1970er Jahre. Nach Streitigkeiten über den politischen Kurs löste sich die sozialistische Homosexuelle Aktion Westberlin im Jahr 1977 auf, in ihren Räumen aber wurde daraufhin das SchwulenZentrum, kurz SchwuZ, gegründet. Zu Beginn also noch ein Treffpunkt für radikale Aktivist*innen, entwickelte sich das Zentrum im Laufe der Jahrzehnte zum eher massentauglichen Club, der er heute ist.

Krisen der Vergangenheit

Vor einigen Jahren musste sich die LGBTIQ*-Institution zu dem Vorwurf verhalten, sie betreibe eine rassistische Türpolitik und diskriminiere Schwarze und People of Colour – und gelobte, die Kritik ernstzunehmen und sich zu bessern. Wie viele andere Berliner Clubs hatte der Laden dann spätestens seit der Corona-Pandemie mit finanziellen Einbußen und unsicheren Zukunftsaussichten zu kämpfen. Auch nach dem Ende der Lockdowns war das SchwuZ mit geringeren Besucher*innenzahlen, Inflation und gestiegenen Betriebskosten konfrontiert.

Im Mai habe man aber das Ausmaß der Krise erst so richtig realisiert, wie es hieß: Am Monatsende sollen regelmäßig 30.000 bis 60.000 Euro gefehlt haben. Die Geschäftführung kündigte eine „Neuausrichtung“ an: Ein „klarer Finanzplan“, weniger Events unter der Woche und die kontroverse Kündigung von fast 40 Mit­ar­bei­te­r*in­nen – rund einem Drittel der Belegschaft – waren Maßnahmen, um vielleicht doch noch die Existenz des Clubs zu sichern.

Kein Ausweg gefunden

All das konnte nicht verhindern, dass das SchwuZ im Juli Insolvenz anmelden musste – und jetzt nach monatelangem Ringen feststellen muss, dass sich keine In­ves­to­r*in­nen finden lassen, „die das SchwuZ im jetzigen Zustand übernehmen und weiterführen“ wollen, wie der Club in seinem Post schreibt. Es bleibe also nichts mehr übrig, außer mit „einem schweren Herzen“ Schluss zu machen.

Zu diesem clubpolitischen Einschnitt meldet sich auch Klaus Lederer, queerpolitischer Sprecher der Linksfraktion und ehemaliger Kultursenator, zu Wort. Er spricht von einem „schweren Schlag für queeres Leben in unserer Stadt“ und erinnert an die „queere Infrastruktur“, die aus dem SchuZ hervorgegangen ist: Das Stadtmagazin Siegessäule, der Buchladen Prinz Eisenherz und auch der erste Berliner CSD sind alle aus dem Umfeld des Zentrums entstanden.

Ein „Weckruf für die Landespolitik“ müsse die Schließung sein, so Lederer. Beim schwarz-roten Senat herrsche trotz der Krisen der queeren Kultur der Stadt „business as usual“, wenn nicht sogar „Gleichgültigkeit und Ablehnung gegenüber queeren Belangen“. Zum Schutz und Erhalt queeren Lebens brauche es jetzt dringend Strategien wie die Raumsicherung in öffentlichen Immobilien und „finanzielle als auch politische Hilfe im Krisenfall“.

🏳️‍⚧️ SHANTAY. YOU PAY. 🏳️‍🌈

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Informationen auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich aber leisten kann, darf einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare