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Claudius Prößer über tierische Schlagzeilen, die einem mit der Hitze geliefert werdenDer Sommer wird notgeschlachtet

Fies wird es, wenn man versucht, Profit aus der Witterung zu schlagen

Der Saharasommer hält Brandenburg fest im glutheißen Würgegriff. Während in der Hauptstadt auf gewohnt hohem Niveau jeder vertrocknete Grashalm betrauert wird, berichten Reisende von höllengleichen Zuständen zwischen Prignitz und Lausitz: Das Wasser der meisten Seen – einziges touristisches Kapital – ist längst verdampft, Karpfen und Wels zerfallen am Grunde der schorfigen Kuhlen zu Staub. Wenn ein versprengtes Wölkchen sich einen letzten Regentropfen abringt, verdampft dieser kilometerweit über dem Erdboden. Und durch den dichten Rauch der brennenden Felder torkeln, auf der Suche nach einer schlammigen Wasserstelle, bis auf die Knochen abgemagerte Rinder, die seit Wochen kein grünes Blatt mehr gesehen haben. Kein Wunder, dass die Bauern zum letzten Mittel greifen müssen: Notschlachtung! So berichten es auch viele Medien in großen Lettern.

Ist aber Quatsch (genauso wie der Rest) – auch wenn dieses Jahr durchaus eines der bedenklichen Hitzerekorde und der Dürre ist. Notgeschlachtet wird, wenn Tiere krank sind oder aber vom Verhungern und Verdursten bedroht. Letzteres kommt in Deutschland nicht vor. Definitiv nicht. Es gibt hierzulande keine Region, in der die Wasserversorgung abgestellt würde, und Futter, das auf dem dürstenden Feld nicht oder nicht ausreichend wächst, kann man zukaufen. Definitiv.

Das, worum es bei den vermeintlichen Notschlachtungen geht, ist nichts als wirtschaftliches Handeln, völlig normal in einer Tiere produzierenden und verbrauchenden Gesellschaft wie der unseren. Wie Simon Harnisch, Tier-Referent beim Brandenburger Landesbauernverband, der taz bestätigt, praktizieren die betroffenen Landwirte simples „Bestandsmanagement“: Wenn die Viehhaltung durch den teureren Futter-Input unangemessen teuer wird, werden eben die Bestände angepasst, sprich: nach unten korrigiert, sprich: teilweise oder vollständig verkauft.

Den Tieren geht es also weder schlechter noch besser, sie werden einfach früher geschlachtet (ob ein kürzeres Nutztierleben, bei dem es sich immerhin um ein maximal fremdbestimmtes handelt, möglicherweise doch besser oder aber schlechter ist als ein längeres, mögen die PhilosophInnen entscheiden). „Besser“ geht es aber paradoxerweise den Fleischesserinnen und Milchtrinkern, weil das Abstoßen von Beständen das Angebot von Tierprodukten zumindest vorläufig in die Höhe treibt und die Preise drückt.

Fies wird es da, wo Menschen versuchen, Profit aus der ungnädigen Witterung zu schlagen: Harnisch hat beobachtet, dass „nichtlandwirtschaftliche“ Händler in den einschlägigen Branchenmedien Futterchargen zu Wucherpreisen annoncieren. Die Hitze treibt eben allerlei Kapriolen.

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