Claudius Prößer hat prominente MüllsammlerInnen beobachtet: Sauber, sauber, Kreuzberg!
Einen verschnörkelten Metallstuhl hat die Frau mitgebracht, das gute Stück stand vielleicht jahrelang auf einem Balkon und war mal weiß lackiert, jetzt ist es vor allem rostig. Gleich landet es in einem der orangen Lkws, die die BSR am Donnerstag in der Dresdener Straße in Kreuzberg aufgefahren hat. „Es gab einen Aushang, dass hier heute Sperrmüll angenommen wird“, sagt die Anwohnerin und freut sich: „Dass es das öfter mal im Bezirk gibt, weiß ich, aber genau vor unserem Haus war das noch nie.“
In der Sackgasse der Dresdener hinterm NKZ-Hochhaus am Kottbusser Tor ist der Müll gleich drei Tage lang bestimmendes Thema – aber nicht als reines Ärgernis, sondern quasi als Katalysator eines besseren Zusammenlebens. Unter dem Motto „Kotti räumt auf“ wollen das Bezirksamt, die BSR, die Gewobag und ihr Mieterrat sowie Initiativen und Vereine Anstöße für mehr Sauberkeit im Kiez geben. Denn, wie es Muhammed Furkan Bayram von der Mevlana-Moschee ausdrückt: „Sauberkeit bedeutet für uns nicht nur Ordnung, sondern auch Respekt für den Ort, an dem wir leben.“
Um diesem Respekt Ausdruck zu verleihen, schnappt sich auch Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) einen der Müllgreifer, die die NGO wirBERLIN mitsamt Handschuhen ausleiht. Später will sie am Urbanhafen in ein Kajak steigen, um Abfall aus dem Landwehrkanal zu ziehen.
Ein sauberer Kiez – ist das nicht eher was für die CDU und Kai Wegner? Herrmann grinst: „Sauberkeit ist ein Thema, das die Menschen bewegt – und damit auch für eine grüne Bürgermeisterin.“ Wenn das auch Kai Wegner umtreibe, freue sie das, nur: „Sein Haushalt spiegelt dieses Interesse nicht wider.“ Im aktuellen Entwurf seien Mittel für Müllvermeidung und die Saubere Stadt zusammengestrichen worden.
Müll ist gerade am Kottbusser Tor ein Problem, darüber sind sich bei der Auftaktveranstaltung in der Dresdener alle einig, auch wenn nicht jeder so explizit wird wie Wolfgang Moser vom NKZ-Mieterrat: „Weiter so“, sagt er, „aber da muss noch mehr kommen.“ Niemand solle am Kotti „Slalom zwischen Scheißhaufen laufen“ müssen. „Wir brauchen eine Toilettenanlage und ein Taubenhaus.“
Dass mit BSR-Kieztagen und Recyclingworkshops nicht alle Gruppen im Kiez erreicht werden, zeigt sich bei einem Blick um die Ecke: In der düsteren Passage zur Adalbertstraße durchwühlen drei Menschen – offenbar unter dem Einfluss harter Drogen – einen Müllsack und verteilen weiträumig dessen Inhalt.
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