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Cirque du Soleil in MünchenKatzenklo in Kuriosistan​

Cirque du Soleil kommt mit einer zehn Jahre alten Show nach Deutschland. Was es den Zuschauern darin bietet, ist reichlich kurios – Gott sei Dank!

Szene aus „Kurios“ in den Lüften Foto: Martin Girard

München taz | Die Künstler sind so klein, dass sie während ihres Auftritts in Echtzeit auf einen über der Bühne schwebenden Heißluftballon projiziert werden müssen: Breakdancer mit ihren obligaten Baseballkäppis etwa oder Skater auf der Halfpipe. Doch in Wirklichkeit sind die kleinen Artisten nur die Hände eines Künstlers, die auf schwarzem Grund die Vorstellungskraft der Zuschauer triggern. Man kennt es als Schattenspiel, hier macht das Original dem Schatten Konkurrenz.

Es ist eine der leiseren Nummern in „Kurios“, dem Programm, mit dem der Cirque du Soleil nun wieder nach Deutschland kommt; seit Freitag gastiert er auf der Münchner Theresienwiese. Dort hat er sein ältestes Chapiteau aufgeschlagen – passend zu den Farben der Stadt in Schwarz und Gelb.

Eher bombastische Shows, dafür ist der in Montréal beheimatete Cirque du Soleil heute bekannt, ja, auch für eine gelegentliche Überdosis Kitsch und Pathos. Die vor 40 Jahren gegründete Truppe um Guy Laliberté hat sich längst zu einer bedeutenden Marke der Unterhaltungsindustrie gewandelt, zu einer Traumfabrik, Betonung auf Fabrik. Eigentümer des Soleil-Imperiums mit nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist mittlerweile ein internationales Investorenkonsortium.

Mehr Zirkus, weniger Disney

Dabei war der heutige Milliardär Laliberté einst selbst ein Straßenkünstler, ganz in der Tradition der Saltimbanchi, ein Springaufdiebank also. Saltimbanques oder Saltimbanchi nannte man die Gaukler im 19. Jahrhundert und auch davor, die am Rande der Gesellschaft lebten, von Marktplatz zu Marktplatz tingelten und dort in einer unterhaltungsarmen Zeit die Menschen amüsierten – als Jongleure, Stelzenläufer, Spaßmacher. Fahrendes Volk eben. „Saltimbanco“ hieß auch eine der früheren und bis heute bekanntesten Shows des Cirque du Soleil.

Und jetzt die gute Nachricht: Die Gaukler sind zurück. In „Kurios“, das vor zehn Jahren in Montréal seine Uraufführung hatte und seitdem durch die ganze Welt zieht, finden wir sie wieder. In aller Opulenz zwar serviert, aber doch in einer Aufführung, die wieder etwas mehr Zirkus ist und etwas weniger Disney. Selbst die Bühne erinnert an eine Manege.

Klar sind da auch die Nummern, derer die besonders kritische Zuschauerin in anderen Zirkussen mitunter schon überdrüssig ist: die Strapaten, die Kontorsion, die Stuhlpyramide. Der Unterschied zur Dutzendware: Hier sind sie immer ein bisschen besser und vor allem immer einen Deut anders, sei es nun dank des Extratempos in der Kontorsionsnummer oder der Schaukel, auf der der Rola-Bola-Künstler James Gonzalez seinen ohnehin schon wagemutigen Balanceakt in luftiger Höhe vorführt.

Retro-futuristischer Look and Feel

Dann wären da noch die Frau, die durch die Luft radelt, die Springer auf dem Fischernetz oder der Mann mit dem Jo-Jo, dem offenbar weit unterschätzten kleinen Bruder des Diabolo. Und vor allem die 13-köpfige Gruppe, die in der Kunst der Banquine brilliert, einer Disziplin, bei der je zwei Artisten einen Kollegen ohne Hilfsmittel in die Luft werfen, der dann auf einer Menschenpyramide zu stehen kommt oder von anderen Mitgliedern der Truppe wieder aufgefangen wird – Salti, Pirouetten und andere Kleinigkeiten selbstverständlich mit inbegriffen. In solchen Momenten erscheint die Akrobatik noch rekordverdächtiger als die Preise der Pausensnacks: zehn Euro kostet die Tüte Popcorn, sechs Euro eine kleine Breze.

Die Show hat sogar eine Rahmenhandlung. In der geht es um einen Forscher, der sich zwischen seinen Reagenzgläschen (wobei der Diminuitiv hier nicht ganz passend erscheint) mehr der Fantasie als der Wissenschaft verschrieben hat und die Zuschauerinnen und Zuschauer mit der helfenden Hand seiner Gefährten, etwa dem Akkordeonmann oder Klara, der Telegrafin des Unsichtbaren, auf eine Reise durch sein Kuriositätenkabinett mitnimmt. Auch Mr. Microcosmos und seine Kuriosistaner sind dabei.

Der Story muss man freilich nicht folgen können, ohne eine eingehende Lektüre des digitalen Programmhefts wird sich dieses Geschehen dem geneigten Zirkusbesucher ohnehin nicht erschließen. Ist auch nicht so schlimm, dient sie schließlich nur der ästhetischen und – das muss man sagen: – sehr gelungenen Kulisse der Vorstellung, dem retro-futuristischen Look and Feel, angesiedelt irgendwo zwischen Dampfmaschine, Grammofon und Heißluftballon in einer Zeit, als wir Roboter noch für eine wahnsinnig fortschrittliche Entwicklung der Zukunft hielten. Steampunk nennen das die Kenner dann wohl.

Die Vorstellung, die man nicht sah

Mit viel Liebe zum Detail ist die Show perfekt durchchoreografiert bis hin zu den komischen Nummern, für die der Argentinier Facundo Giminez verantwortlich zeichnet. Selten mimte ein Mensch eine Katze originalgetreuer. Der Bogen zu Helge Schneider, der übrigens schon mal mit Katzen in der Manege stand, mag gewagt sein, doch seit ihm ward dem Katzenklo keine würdigere künstlerische Aufmerksamkeit mehr zuteil. Giminez tritt auch als Direktor eines unsichtbaren Zirkus auf: „This was the show you never saw!“

Das Publikum, das sie nicht sah, tobte dennoch. Nicht nur bei dieser Nummer. Und nicht ganz zu Unrecht. Bis 25. Februar ist „Kurios“ noch in München zu sehen, von 8. März bis 14. April dann im Glasmacherviertel in Düsseldorf.

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